In der folgenden Diskussion werden die mit den Emergenzfallen untersuchten Baumstrünke verglichen und das ökologische Verhalten der Fliegen interpretiert.
Ferner sollen die angewendeten Methoden besprochen werden. Abschliessend wird der Stellenwert des Totholzes kurz erläutert und Naturschutzmassnahmen im Wald vorgeschlagen.
Die Durchmischung von Fichten und- Buchenstrünken im Dendrogramm Abb. 16 und der Ordinationsrechnung in Abb. 17 deutet darauf hin, dass in einem fortgeschrittenen Stadium des Holzabbaus die Baumart keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Insektengilden hat. Dafür spielt der Zerfall eine entscheidende Rolle bei der Besiedlung des Holzes durch Fliegen. Die beiden jüngsten Buchen- und Fichtenstrünke sind zwar von Fliegen kaum besiedelt worden, unterscheiden sich hingegen stark in ihrer Faunenzusammensetzung (vgl. Abb. 16). LARKIN & ELBOURN (1964) kamen zum Ergebnis, dass der Primärbefall von Totholz durch bestimmte Arthropodengemeinschaften von der Holzart abhängt. Mit zunehmender Zersetzung nehmen die anfänglichen Unterschiede in der Faunenkomposition wieder ab und hängen dann mehr mit (mikro)klimatischen Bedingungen und der Menge an bewohnbaren Nischen im Holz zusammen. KROGERUS (1927) erkannte bereits, dass gewisse Pilze (Ambrosia) auf frischem Holz am besten gedeihen und sich deshalb die Primärbesiedler (v.a. fungivore Insekten) von nachfolgenden Arten unterscheiden. Danach ändert das Holz wegen des Abbaus seine chemischen und strukturellen Eigenschaften, z.B. die Konsistenz des Kambiums, und wird von einer anderen Insektenfauna besiedelt (KROGERUS, 1927). Ethanol als typischer Lockstoff für Totholz nimmt auf Kosten von baumartenspezifischen Lockstoffen zu, die zu Beginn des Zerfalls noch vorhanden sind (PFARR, 1990).
Der Besiedlungsbeginn hängt stark mit dem Feuchtigkeitsgehalt des Holzes zusammen (BASSET, 1986). Ist ein Strunk ständiger Feuchtigkeit ausgesetzt, so wird der Abbau v.a. von Weiss- und Rotfäulepilzen gefördert. Der Stock wird humifiziert und geht relativ rasch in Teile des Bodens über (BRAUNS, 1991). Der von Fäulnis ausgehöhlte Strunk B/F2 und der bereits zu gewissen Teilen amorphe A/B2 gehörten zu den arten- und individuenreichsten Wurzelstöcken. Die Buchenstrünke in Stadium C waren kaum von Moos überwachsen und trockneten schneller aus, da sie in einem ausgedünnten Baumbestand ohne Jungwuchs relativ stark der Sonne ausgesetzt waren (eigene Beob.). Ausgetrocknetes Holz ist für Dipteren wenig attraktiv und wird kaum kolonisiert (PERRY&STUBBS, 1978). Die Strünke A/B1, A/B2, B/F1 und B/F2 hingegen befanden sich in einem geschlossenen Bestand (Stadium B mit viel Buchenjungwuchs) und wurden kaum von der Sonne beschienen. Das Holz dürfte einen hohen Feuchtigkeitsgehalt aufgewiesen haben und erleichterte so die Besiedlung durch Insekten.
BRAUNS (1991) stellte fest, dass der Zeitpunkt des Fällens eines Baumes nicht mit dem Beginn des Zerfalls gleichzusetzen ist, da er bereits im lebenden Individuum beginnen kann und mehr von den mikroklimatischen Einflüssen und der Baumart abhängt. Demnach kann ein im geschlossenen Bestand stehender Baumstrunk dank der höheren Luftfeuchtigkeit schneller abgebaut werden. Trockenheit am Standort fördert den trockenen Zerfall (BRAUNS, 1991). Das erklärt den Umstand, dass die Fichtenstrünke im Stadium A, die in einer kleinen Lichtung am Rande eines Weiss-Seggen-Bestandes (Carex alba) standen, weniger stark zersetzt waren als die des Stadiums B und damit eine weniger reichhaltige Dipterenfauna aufwiesen. Die Faunenähnlichkeit mit den anderen Strünken des Stadiums A und B/F2 war dennoch überraschend gross, was dafür spricht, dass für die Totholz bewohnenden Dipteren die Baumart keine Rolle spielt (HAMILTON, 1978).
Ein weiterer wichtiger Parameter, der die Besiedlung des Holzes durch Insekten bestimmt, ist die Struktur des Substrates (z.B. lose Rinde, Bohrlöcher etc.). Unterschiedliche Mikrostrukturen, die in verschiedenen Zerfallsstadien auftreten, üben z.T. eine spezifische Anziehung auf Insekten aus, die im Holz ihre Eier ablegen wollen (ELBOURN, 1970). Unter Moospolstern kann sich ebenfalls eine reichhaltige Fauna entwickeln, da dort günstige mikroklimatische Bedingungen herrschen, die den Abbau des Holzes fördern (BRAUNS, 1991). Stöcke, die bereits dicht mit Moos überwachsen waren, wurden (ausser A/F1 und A/F2) von den Fliegen bevorzugt angenommen.
Generell bestimmen eine Vielzahl von Faktoren, die schwierig zu erfassen sind und von Stock zu Stock variieren, die Besiedelung des absterbenden Holzes durch Insekten. Mit dieser groben Untersuchungsmethode lassen sich die einzelnen wichtigen Holz- und Strunkparameter, die die Qualität und Quantität der Fauna ausmachen, nicht ermitteln.
Wie Tab. 7 und 8 zeigen, sind wahrscheinlich nur wenige Fliegen auf eine Baumart spezialisiert: Rhaphium sp. wurde nur auf Fichte, Rhamphomyia umbripennis nur auf Buchen und Lonchaea fugax nur auf Bergahorn (C/A2) gesammelt. Die meisten anderen Fliegenarten zeigen aber nur Vorlieben für eine der drei untersuchten Holzarten (vgl. Abb. 18) und können bei deren Mangel auch auf andere Bäume umstellen. Die Wurzelstöcke sind nur in Wirtschaftswäldern die dominierenden Totholzformen. Das könnte bedeuten, dass viele Arten aus Mangel an anderen Strukturen die Strünke als Ersatzbiotop annehmen und dann wenig spezifisch die Baumart aussuchen (PFARR, 1990).
Von den häufigsten zehn Fallenarten (vgl. Tab. 9) wich einzig Rhagio lineola vom Verhalten der übrigen neun Arten ab (vgl. Abb. 18). Dies ist ein Hinweis auf die unterschiedliche Biologie der Larven, die sich auch in der Laubstreu und unter Moospolstern entwickeln können und eher zu den Bodenorganismen zählen (BRAUNS, 1991). Durch die enge Verzahnung der Biotope "Boden" und "Totholz" ist eine Trennung in Boden- oder Holzorganismen nicht immer möglich. FAGER (1968) fand z.B. saisonale Unterschiede in den Artenzahlen von Arthropoden in Totholz, was auf Migrationsbewegungen aus dem Holz in die Streu und den Boden schliessen lässt. Ausserdem dominieren zu einem späten Zeitpunkt des Abbaus die Bodenlebewesen (BRAUNS, 1991).
Neben der Baumart bestimmen v.a. die Anzahl an Mikrostrukturen das Vorkommen der Insekten (ELBOURN, 1970). Es ist deshalb anzunehmen, dass die Arten, die eine starke Korrelation in ihrem ökologischen Verhalten aufweisen, eine ähnliche Nische besetzen und sich eventuell sogar konkurrenzieren. Alle Arten, die gleichzeitig die Fichte bevorzugten, leben als Larven räuberisch (vgl. Tab. 7).
Die von früheren Autoren (KROGERUS, 1927; DERKSEN, 1941; WALLACE; 1953) angesprochene Sukzession der Insekten wurde nicht genauer untersucht. Dazu war der Beobachtungszeitraum zu kurz. Ausserdem ist es nicht sinnvoll, das Alter der Strünke nach dem Schlagzeitpunkt festzusetzen, da der Holzabbau bereits vor dem Fällen eines Baumes beginnen kann und der Zerfall weitgehend von den äusseren Bedingungen abhängt.
Das ökologische Verhalten der Arten deutet darauf hin, dass mittlere (3-5 Jahre) und ältere Stadien ...
SAVELY (1939) konnte zeigen, dass die von ihm untersuchten Stammteile verschiedenen Insekten gleichzeitig Lebensraum bieten und ihre Hauptbedeutung im Vorkommen räuberischer Arten zur Kontrolle von Forstschädlingen liegt. Der hohe Prozentsatz von karnivoren und parasitischen Fliegen (vgl. Abb. 15) bestätigt diese Beobachtung. Raptorische Arten aus der Gattung Lonchaea können in der Rinde die Abundanz von Scolytidae (Coleoptera) kontrollieren (BRAUNS, 1991). Die meisten räuberischen Arten dürften ein breites Beutespektrum haben, das neben Insektenlarven auch andere Wirbellose umfasst.
Arten, deren Larven saprophag leben, wurden nur in geringen Anteilen von meist 10-20% gefunden. Ihre Aufgabe besteht in der Aufarbeitung des Bestandsabfalls (Fallaub, Totholz usw.). SWIFT, BODDY & HEALEY (1984) fanden, dass v.a. Tipulidae die wichtigsten Taxa waren, die sich am Abbau von Astmaterial beteiligte und in 65% von Invertebraten besiedelten Ästen gefunden wurden. Als holzbohrende Tiere beschleunigen sie den Abbau und Zerfall des Holzes, indem sie es für Sekundärbesiedler wie cellulolytische Pilze oder stickstoffixierende Bakterien öffnen (AUSMUS, 1977). Bei den Fliegen haben z.B. Rhagionidae wegen ihrer saprophagen Lebensweise eine grosse Bedeutung (BRAUNS, 1991). Sie stellen den Hauptharst der saprophagen Fliegen.
Fungivore und phytophage Fliegen spielen nur eine untergeordnete Rolle und sind nur in geringem Masse festgestellt worden. Die Erkenntnisse von WALLACE (1953) (vgl. Kap. 2.2.4. Abb. 4) sind nicht auf die Verhältnisse in der Zusammensetzung der Fliegenfauna zu übertragen.
Die Handfänge sind nur schwierig einzuordnen, da nicht alle Insekten bestimmt wurden. Vom determinierten Material sind nur 47.5 % effektiv zu den Totholz nutzenden Diptera zu zählen. Bei den restlichen 52.5 % ist die Biologie der Arten noch nicht erforscht. Sie haben (wahrscheinlich) vom Holz unabhängige Larven und halten sich bevorzugt im Wald an schattigen, feuchten Plätzen auf. Sciomyzidae, die ihre Entwicklung in Mollusken durchlaufen, wurden sehr häufig auf Totholz gefangen, da sich ihre Wirtstiere (Waldschnecken) unter zerfallendem Holz verstecken (CHANDLER, 1978). Viele phytophage Dipteren (z.B. Blattminierer) hielten sich auch auf den besammelten Strukturen auf und wurden daher mit grosser Regelmässigkeit gefangen, wie z.B. gewisse Drosophilidae oder Chloropidae (nicht bestimmt). Einige Syrphidae, deren Larven aphidivor oder koprophag sind, wurden ebenfalls gesammelt. Die Imagines dürften sich nur zufällig auf den entsprechenden Totholzstrukturen aufgehalten haben. Weitere Drosophilidae ernähren sich von Pilzen (sens. lat.) und sind eventuell indirekt mit dem Holz verbunden.
An all diesen Beispielen zeigt sich die Schwierigkeit, die Handfänge einzuordnen. Während der Exkursionen wurde unspezifisch aufgesammelt. Die Bestimmungsarbeit und die Abklärung der Biologie der einzelnen Arten war schwierig und zeitraubend. Eine erste Einschätzung des gesammelten Materials sollte bereits im Feld erfolgen, was überdurchschnittliche Kenntnisse der Tiere und ihrer Lebensweise erfordert.
56 Arten, die mit den Fallen gesammelt wurden, konnten auch mit dem Kescher nachgewiesen werden. Wenn man die Resultate der beiden Kapitel 4.2. und 4.3. betrachtet fällt auf, dass die häufigsten zehn Arten jeder Methode sich zu 30 % ähneln (in Tab. 14 und Tab. 15, fett gedruckt).
Coenosia sallae wurde nur in den Fallen nachgewiesen. Euthyneura gyllenhali konnte zwar in Massen aus den Fallen gesammelt werden, wurde aber nur zweimal mit dem Kescher erwischt. Nach dem Schlüpfen leben die Imagines offenbar von Nektar und halten sich dadurch nur kurze Zeit in der Umgebung der Brutstätte auf (CHVALA, 1983). Die Habitatsansprüche von Larven und Imagines unterscheiden sich erheblich, so dass diese Arten nur noch zufällig gekeschert wurden.
Die einzige Art, die sich mit beiden Methoden in ungefähr gleich grossen Anzahlen nachweisen liess, war Trichopeza longicornis. Damit dürfte diese Fliege zu den echten Totholzbewohnern zählen, die auch als Imago eine engere Bindung an dieses Habitat besitzen.
Die beiden Oedalea-Arten sind zueinander komplementär. O. stigmatella liess sich mit den Fallen besser nachweisen, O. zetterstedti mit dem Kescher. Beide Arten sind sehr ähnlich bezüglich ihrer Morphologie, so dass ev. eine ökologische Trennung der beiden Arten als wahrscheinlich erscheint und deshalb mit verschiedenen Methoden erfasst werden müssen.
Da in dieser Untersuchung unterschiedliche Methoden angewendet wurden und die Resultate auch dementsprechend verschieden ausgewertet wurden, soll im folgenden die Vor- und Nachteile beider Sammelmethoden erläutert und einander gegenübergestellt werden.
Obwohl mit den Emergenzfallen weniger Individuen und Arten als mit dem Kescher gefangen wurden, muss doch dieser Fangmethode der Vorzug gegeben werden. Die Fallen bieten ein standardisiertes Verfahren zum Nachweis von Insekten, im speziellen Fall Diptera, die sich (fast) ausschliesslich in Totholz oder in damit eng verbundenen, anderen Strukturen wie Pilzen oder unter Moos entwickeln. Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode besteht darin, dass jederzeit Wiederholungen und Vergleichsaufnahmen möglich sind.
Der Anteil von Fliegen, die nicht auf Totholz angewiesen sind, ist in den Fallen bedeutend kleiner als im Kescher und dürfte v.a. aus der Bodenfauna stammen wie z.B. Sciomyzidae, die Schnecken parasitieren oder Scatophaga stercoraria. Der Fehler hätte vermieden werden können, wenn die Erde rund um den Strunk abgedeckt worden wäre. DERKSEN (1941) goss gar den Boden mit Beton aus. Allerdings lassen sich Insekten, die in der Laubstreu oder im Boden leben nicht scharf von den Totholzbewohnern abgrenzen, da beide Habitate eng ineinander verflochten sind (HAMILTON, 1978).
Um weitere Arten zu erhalten, hätte man wohl mehr Fallen aufstellen müssen. Damit hätte man sicherlich auch objektivere Vergleichsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Zerfallsstadien und Baumarten. Ein Einzelvorkommen wie z.B. das von Euthyneura gyllenhali wäre dadurch auch weniger stark ins Gewicht gefallen. Zudem waren die Standzeiten der Fallen zu kurz (vgl. Abb. 12 und 13). Man hätte auch im Juli und August weitere Arten und Individuen erwarten können.
Mit den Fallen können auch Daten gewonnen werden, die Rückschlüsse auf die Herkunft der Insekten erlauben und auch für genaue phänologische Untersuchungen Verwendung finden. Allerdings können in den Zelten höhere Temperaturen (Durchschnittswerte) auftreten und so zum verfrühten Schlupf der Tiere führen (SOUTHWOOD, 1978). Zudem können die im Zelt aufgehaltenen Dipteren mit kurzer Lebensdauer nicht wegfliegen und kopulieren direkt nach dem Schlüpfen (HAMILTON, 1978), so dass die Phänologie verschoben wird (vgl. Euthyneura gyllenhali). Weiter müsste man Phänologiedaten über mehrere Jahre aufnehmen, damit klimatische Abweichungen und die damit verbundenen geänderten Schlupfdaten ausgeglichen werden.
Ferner gilt es zu beachten, dass räuberische Insekten oder Spinnen, die im Totholz überwintern, die Fauna innerhalb der Zelte reduzieren können. So wurde in B/F1 ein Exemplar von Xylota sylvarum gefunden, das nur noch aus den Skleriten bestand und offenbar von einer Spinne erbeutet wurde. Trotzdem ist dieser Einfluss vernachlässigbar klein (PFARR, 1990) und lässt sich bei regelmässiger Kontrolle, bei der auch Prädatoren entfernt werden müssen, weiter reduzieren.
Nachteilig auf die Erfassung der Insekten könnte sich auswirken, dass die Strünke während der Hauptflugzeit für die Besiedlung durch weitere Arten nicht zugänglich waren. Die Falle als abgeschlossenes System verhinderte eine Zuwanderung von aussen durch neue Arten im Laufe des Sommers.
Der Kescher hat den Fallen gegenüber den Vorteil, dass beliebig grosse Strukturen abgesucht werden können. Er ist leicht überall einsetzbar, v.a. im schwierigen Gelände. Die Ausbeute eines Sammeltages kann beträchtlich sein. Verglichen mit den Fallen wird eine höhere Artenzahl erzielt, die in einer solchen Untersuchung nebensächlich ist, da nicht nur rein faunistische Interessen im Vordergrund stehen.
Die wesentlichen Nachteile liegen darin, dass viele Insekten, die nicht auf Totholz angewiesen sind, unspezifisch gesammelt werden. Es sind Beifänge aus der Krautschicht und der Bodenfauna, die sich an den Stammsilhouetten und wahrscheinlich auch an herausragenden Formen des Totholzes im Wald orientieren und diese bevorzugt anfliegen (FUNKE & HERLITZIUS, 1984). Die Durchwachsung der Einzelstrukturen und Totholzformen in den Flächen mit Krautpflanzen stellte ein wichtiges methodisches Problem dar, das besonders bei S7 aufgefallen ist. Dieser Asthaufen wurde im Laufe der Vegetationszeit durch Impatiens noli-tangere überwuchert und konnte am Ende nicht mehr genutzt werden.
Es ist meistens unmöglich nachzuweisen, aus welcher Baumart die Tiere stammen, da sie nach dem Schlüpfen davonfliegen und sich zufällig auf verschiedene Baumarten oder Strukturen setzen können. Zudem lagen in den meisten Flächen und Strukturen Teile von verschiedenen Bäumen durcheinander, so dass sich die Fänge nicht genau nach Baumart auftrennen liessen.
Für viele Arten ist der Bezug zum Totholz nicht klar. Sämtliche biologische Daten müssen in der Literatur nachgeschlagen werden, die z.T. auch noch grosse Lücken aufweist oder zu wenig auf die einzelnen Arten eingeht (z.B. BRAUNS, 1991; FERRAR, 1987; PERRY & STUBBS, 1978). Kescherfänge tragen wenig dazu bei, dieses biologische Wissen zu erweitern und lassen lediglich Vermutungen zu.
Mit dem Kescher erbringt man zudem kaum quantitative Daten. Die Nachweise für die Phänologie beschränken sich auf Erst- und Letztfänge. Oft sehen die Tiere den Kescher und fliehen vorher. Lebhafte, grössere Dipteren (v.a. Calyptrata) sind schwierig aus dem Streifnetz zu fangen, besonders an warmen Tagen, und entweichen oft aus dem Netz (pers. Beob.).
Die bisherige faunistische Totholz-Forschung hat sich oft nur mit der Käferfauna beschäftigt. Die Dipteren, v.a. die Fliegen, wurden nur am Rand untersucht und sind nach wie vor ungenügend bearbeitet, obwohl sie einen wesentlichen Anteil an der Gesamtfauna des Totholzes haben (PFARR, 1990). Es mangelt immer noch an ökologischem Wissen, und das Artenspektrum ist lückenhaft bekannt. Bei zukünftigen Arbeiten sollte nur noch mit Fallen gearbeitet werden. Auf den Kescher sollte verzichtet werden. Es müssen auch andere Totholzstrukturen, wie stehende abgestorbene Bäume, Reisig, Astmaterial usw. von verschiedenen Baumarten, mit geschlossenen Systemen quantitativ erfasst werden. Dabei dürften weitere interessante Arten nachgewiesen und die biologischen Kenntnisse der totholznutzenden Dipteren, speziell der Fliegen, vertieft werden. Die Arbeiten von ELBOURN (1970) und FAGER (1968) haben gezeigt, dass z.B. durch die Simulation von Rindenhohlräumen oder Bohrgängen mehr über die Einnischung der Arten herausgefunden werden kann als mit Emergenzfallen, die nur über die Holzart und die Baumteile (Ast, Strunk etc.) Auskunft geben können.
Der Holzerntestubben ist nur ein Ersatzbiotop, und es gilt herauszufinden, wie stark dass andere Totholzformen von Fliegen besiedelt werden und ob diese spezifisch kolonisiert werden. Eine Auswahl an Fallentypen, die für weitere Untersuchungen geeignet sind, stellen RAUH & SCHMITT (1991) vor.
Totholz ist ein wichtiges regulierendes Element im Wald. Es beherbergt eine grosse Zahl von Invertebraten und ist wichtig für die Rückhaltung von Nährstoffen und Mineralien, die durch den langsamen Abbau durch Pilze, Bakterien und Wirbellose wieder in den Stoffkreislauf rückgeführt werden. Trotz des geringen Nährstoffgehaltes von zerfallendem Holz sind Totholzstrukturen wichtige Nährstoffspeicher, die einen längerfristigen Einfluss auf die Nährstoffdynamik von Waldökosystemen haben können (AUSMUS, 1977). Bis zu 60% des jährlich anfallenden organischen Materials in einem Wald besteht aus Totholz (MASER et al., 1979).
Die Gefahr einer Massenvermehrung forstschädlicher Arten (z.B. Borkenkäfer) in Totholz, das natürlicherweise anfällt, konnte bisher nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden. Das Verhältnis potentieller Schädlinge und karnivorer Nützlingsarten ist z.B. bei Käfern ausgeglichen (PFARR & SCHRAMMEL, 1991).
Totholzstrukturen sind auch für Wirbeltiere wichtige Elemente im Wald. Sie bieten z.B. kleineren Nagern oder Kriechtieren Schutz vor Raubfeinden und Wohnraum zugleich (MASER et al., 1979). Spechte und andere Vogelarten profitieren vom hohen Angebot an Insektenlarven, indem sie diese Strukturen gezielt aufsuchen (eigene Beobachtung), und weisen in totholzreichen Gebieten höhere Bestandesdichten auf (UTSCHICK, 1991).
Für den Naturschutz im Wald können folgende Massnahmen zur Förderung der xylobionten Insektenfauna vorgeschlagen werden, die MASER et al. (1979) zur Erhaltung der Fauna (v.a. kleine Wirbeltiere) und PFARR (1990) zusammenfassten:
- Einzelne, absterbende Bäume im Bestand sollten stehengelassen und speziell gekennzeichnet werden, damit sie nicht entfernt werden. Ebenso müssen umgeworfene Stämme liegengelassen werden.
- Die Anreicherung von Totholz kann gezielt gefördert werden, indem einzelne Bäume durch Ringeln zum Absterben gebracht werden. Der Zeitpunkt dazu sollte möglichst während der Herbst- und Wintermonate gewählt werden, um einen Massenbefall mit Borkenkäfern zu vermeiden (PFARR & SCHRAMMEL, 1991). Weitere Totholzstrukturen und -Ansammlungen sollen liegengelassen werden.
- Astmaterial kann auf einer Kahlschlagfläche nach der Holzernte auf bis zu 10% der Fläche liegengelassen werden, um der Kleintierwelt Unterschlupf zu bieten. Baumstrünke sollen auf keinen Fall entfernt werden.
- Im Wald sollten Alt- und Totholzinseln geschaffen bzw. erhalten werden und durch genügend Totholzstrukturen flächendeckend vernetzt werden, damit einzelne Insektenpopulationen nicht voneinander getrennt sind.
- Baumarten und Holzdimensionen müssen gefördert werden, die für xylobionte Organismen besonders wertvoll sind. Dazu gehören freistehende starke Eichen und Linden sowie Weichhölzer (Pappel (Populus sp.), Birke (Betula sp.), Weide (Salix sp.) (ALBRECHT, 1991).
Langfristig ist die Schaffung von Waldreservaten, in denen die Nutzung auf ein Minimum reduziert oder ganz eingestellt wird, die beste Möglichkeit, xylobionte Insekten zu erhalten. Naturschutzgebiete dürfen sich nicht nur auf Riedgebiete oder Magerwiesen beschränken, sondern müssen auch ganze Waldgebiete einschliessen, die eine minimale Fläche von 100 ha umfassen sollten (RAUH & SCHMITT, 1991). Es ist wünschenswert, wenn nicht nur unzugängliche Hangwälder unter Schutz gestellt werden, sondern auch Wälder an wirtschaftlich günstigen Orten. Die Zusammenarbeit von Naturschutz und Forstkreisen ist daher zu intensivieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine gezielte Aufklärungsarbeit in der breiten Öffentlichkeit.
Am Beispiel des Sihlwaldes (vgl. BSU, 1988) wird sich zeigen, wie sich eine komplette Nutzungsaufgabe auf einen Wirtschaftswald auswirkt. Durch die natürliche Waldentwicklung wird genug Totholz anfallen, um eine artenreiche Xylobiontenfauna aufrecht zu erhalten. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Entwicklung der Tierwelt in regelmässigen Abständen zu überwachen, um den Erfolg der getroffenen Massnahmen zu kontrollieren oder Rückschlüsse über die Dynamik im Naturwald zu ziehen.
Mit Hilfe von 14 Emergenzfallen wurde vom 19.4.-7.7.1994 im Sihlwald bei Sihlbrugg ZH die Fliegenfauna (Diptera, Brachycera und Cyclorrhapha) aus Strünken von drei verschiedenen wichtigen Baumarten (Bergahorn, Buche und Fichte) und Zerfallsstufen (2, 5 bzw. >10 Jahre nach Holzernte) untersucht. In einem zweiten Teil des Versuches wurde auf verschiedenen Strukturen und totholzreichen Flächen zur Erfassung weiterer Arten der Kescher verwendet.
Mit den Fallen konnten 491 Individuen aus 83 Arten bzw. Gattungen bestimmt werden. Die häufigsten Arten waren Euthyneura gyllenhali , Rhamphomyia pilifer und die für Mitteleuropa zum ersten Mal festgestellte Coenosia sallae. Auffallend war der hohe Anteil der Familien Hybotidae, Empididae und Dolichopodidae, die durch ihre raptorische bzw. parasitische Lebensweise auch das Spektrum der Ernährungsweisen dominierten. Daneben konnten in nennenswertem Umfang nur saprophage Organismen, v.a. Rhagionidae und Stratiomyidae, identifiziert werden.
Der Vergleich der Baumstrünke ergab, dass es weniger darauf ankommt, um welche Baumart es sich handelte, als vielmehr wie weit der Zerfall fortgeschritten war. Lediglich zu Beginn der Kolonisation waren die Faunenkompositionen stark voneinander verschieden. Je weiter das Holz abgebaut war, desto kleiner wurden diese Unterschiede. Stärker zersetzte Strünke mit einem reichen Nischenangebot wiesen eine arten- und individuenreichere Insektengilde auf als solche, die frisch gefällt wurden. Die Arten waren meist nicht auf eine Baumart beschränkt sondern nutzten v.a. mittlere bis ältere Strünke.
Die Kescherfänge waren wenig spezifisch und wiesen einen hohen Anteil an Arten auf, die nicht auf Totholz angewiesen sind. Es wurden 624 Exemplare bestimmt, die aus 122 Taxa stammten, von denen nur 47.5 % auf Totholz spezialisiert waren. Auch mit dieser Methode konnte die Dominanz der Empidoidea bestätigt werden. Diese Ergebnisse waren aber kaum mit den Fallenresultaten vergleichbar.
Die angewendeten Fangmethoden und die Bedeutung von Totholz für xylobionte Arthropoden werden diskutiert.
ALBRECHT, L. (1991): Die Bedeutung des toten Holzes im Wald. Forstw. Centralblatt 110: 106-113.
BÄCHLI, G. & H. BURLA (1985): Diptera: Drosophilidae. Insecta Helvetica Fauna 7. 116 pp.