Inhalt

7. Diskussion

7.1 Regenwurmfauna im Sihlwald

Artenspektrum

Die im Sihlwald gefundenen Arten entsprechen ungefähr dem Artenspektrum, das bei zwei Untersuchungen in verschiedenen Schweizer Wäldern gefunden wurde. Ausser der Art L. rubellus wurden die im Sihlwald nicht festgestellten Arten auch in den anderen Wäldern der Schweiz nie in grosser Dichte gefunden (Bieri et al. 1983; Daniel 1991). Dass die Art L. rubellus nur auf der Wiese und nicht im Wald gefunden werden konnte, ist erstaunlich. Diese Art gilt als säuretolerant und wird oft in feuchter, sich zersetzender Laubstreu festgestellt. Die Bedingungen im Sihlwald müssten ihr also zusagen. Auch Bieri et al. (1983) konnten diese Art im Sihlwald (Wüesttobel) nicht feststellen. Diese Autoren fanden im Wuesttobel am meisten Individuen der Art L. terrestris, gefolgt von den beiden endogäischen Octolasion-Arten. Dies entspricht ungefähr der bei der vorliegenden Untersuchung festgestellten Artenzusammensetzung in den Mischwäldern. Dabei ist zu beachten, dass die in dieser Studie verwendete Oktettmethode vermutlich nicht bei allen Arten die gleiche Effizienz aufweist wie die in den meisten anderen Untersuchungen verwendete Formalinextraktion. Cuendet et al. (1991) erwähnen, dass die Oktettmethode mit dem Standard Thielemann Gerät eine schlechtere Effizienz bei den anözischen Arten (speziell L. terrestris) hat als die Formalinextraktion. Eine eventuell im Vergleich zu den anderen Arten schlechtere Effizienz der Oktettmethode bei L. terrestris könnte zu einer Unterschätzung des Anteils dieser anözischen Art geführt haben.

Das lokale Vorkommen der häufigsten Arten innerhalb des Sihlwaldes kann vermutlich vorwiegend auf den pH-Wert des Oberbodens zurückgeführt werden. Während die beiden Arten L. terrestris und O. cyaneum ubiquitär vorkommen und nicht sehr empfindlich gegen pH-Werte unter 4 sind, gilt A. rosea als säureintolerant (Edwards & Bohlen 1996). Dies wird durch die Fundorte im Sihlwald bestätigt. Sowohl L. terrestris als auch O. cyaneum wurden in mehreren Flächen mit einem pH-Wert von unter 4.5 festgestellt (Tab. 8, Seite *; Tab. 9, Seite *). A. rosea wurde hingegen nur einmal auf einer Fläche mit einem pH-Wert von unter 4.5 gefunden. Auch die Art O. tytrtaeum wurde nur einmal an einem Standort mit einem pH-Wert von unter 4.5 nachgewiesen. Bouché (1972) fand diese Art gar nur in Böden mit einem pH-Wert von über 5. Auch die Zunahme der Häufigkeit von L. terrestris mit zunehmendem pH-Wert, die von Edward & Lofty (1975) schon festgestellt wurde, kann in den im Jahr 1995 untersuchten Mischwäldern beobachtet werden. Diese Art bevorzugt ausserdem Böden mit hohem Lehmgehalt (Nordström & Rundgren 1974), was vermutlich zum häufigen Vorkommen dieser Art im Sihlwald mit seinen lehmigen Böden beiträgt. Die hohen Abundanzen der endogäischen Octolasion-Arten können vermutlich auf die feuchten Verhältnisse im Sihlwald zurückgeführt werden. Beide Arten bevorzugen feuchte Böden (Sims & Gerard 1985).

Die Art L. moliboeus gilt als montane Art. Bouché (1972) fand sie nur im Massiv Centrale zwischen 800 und 1050 m ü.M. Die Fundorte im Sihlwald liegen 200 bis 300 m tiefer. Diese Art wurde aber auch im Südschwarzwald auf einer Höhe von 600 m ü.M. entdeckt (Lamparski 1985). Die Art N. longus wurde beide Male in einem Mischwald gefunden. Bisher wurde in der Schweiz nur die Unterart N. longus ripicola in Wäldern (Westschweiz) entdeckt (Cuendet et al. 1997). Die beiden Fundorte zeichneten sich durch einen hohen Anteil an Gräsern in der Krautschicht aus, lagen aber mehr als 500 m von der nächsten Wiese entfernt. Der Karte von Etter (1946) kann entnommen werden, dass diese Standorte auch vor mehr als 50 Jahren schon bewaldet waren. Bei den drei Individuen der Gattung Nicodrilus, die keiner bekannen Art zugeordnet werden konnten, handelt es sich wahrscheinlich um die gleiche Art, die auch in einer Untersuchung auf Dauergrünlandflächen im schweizerischen Mittelland (Cuendet et al. 1997) festgestellt wurde. Auch diese Autoren vermuten, dass es sich um eine Unterart von N. nocturnus handelt und vermerken das hohe Gewicht und die Form der Pubercula, die diese Individuen von N. nocturnus unterscheiden.

Die Verwendung von Glasröhrchen zur Bestimmung der Regenwürmer hat sich bewährt. Viele Einzelheiten konnten am lebenden Tier besser beobachtet werden als bei konservierten Individuen. Ausserdem lieferte auch das Verhalten der Tiere im Wasser und im Glasröhrchen Hinweise, die eine Bestimmung erleichterten. Zudem mussten die Tiere nicht getötet werden und konnten nach erfolgter Bestimmung wieder am Fangort freigelassen werden.

 

 

Individuendichte und Biovolumen in den verschiedenen Waldtypen

Die zwischen den drei Waldtypen gefundenen Unterschiede im vorhandenen Biovolumen an Regenwürmern bestätigten die eingangs erwähnte Erwartung, dass die Regenwurmbiomasse in den Mischwäldern höher als in reinen Buchenwäldern und in diesen wiederum höher als in reinen Fichtenwäldern ist (Kapitel 1.3, Seite 5). Dies korrespondiert mit den Ergebnissen verschiedener anderer Untersuchungen, die zeigen, dass innerhalb der verschiedenen Waldtypen die Mischwälder die höchsten Regenwurmdichten und Biomassen an Regenwürmern erreichen, während Nadelholzwälder meist nur vergleichsweise wenig Wümer aufweisen (Satchell 1983).

 

Auch bei der Untersuchung von Daniel (1991) lagen die festgestellten durchschnittlichen Regenwurmdichten und Biomassen in den Buchenflächen innerhalb des gleichen Waldes immer über denjenigen der Fichtenflächen. Die Dichten und Biomassen, die er in den Fichtenlächen der meisten Wälder (Bachtel Ost, Männedorf, Rafz, Stammheim, Winterthur) feststellte, entsprechen ungefähr denjenigen im Sihlwald. Nur in zwei Wäldern (Zürichberg und Gubrist) konnte er in Fichtenwäldern Regenwurmdichten und Regenwurmbiomassen nachweisen, die um ein Vielfaches über denjenigen des Sihlwaldes lagen. Beim Vergleich der Buchenwälder ergibt sich ein ähnliches Bild. Während vier Wälder (Bachtel Ost, Männedorf, Rafz, Stammheim) ungefähr im Bereich der Regenwurmfauna des Sihlwaldes liegen, stellte Daniel (1991) in zwei Wäldern (Zürichberg, Winterthur) viel höhere Regenwurmdichten und Biomassen fest.

Das in den Mischwäldern festgestellte hohe Biovolumen an Regenwürmern kam hauptsächlich durch die hier in grosser Zahl vorhandenen anözischen Arten zustande. Dass eine hohe Biomasse durch die Häufigkeit anözischer Arten verursacht wird, konnte auch Daniel (1991) feststellen. Entsprechend dem Verhalten der anözischen Regenwurmarten, sind diese für den Dachs bei milder und feuchter Witterung als Beute verfügbar. Die grosse Biomasse an anözischen Würmern in den Mischwäldern müsste also eine entsprechend hohe Verfügbarkeit von Regenwürmern für den Dachs zur Folge haben.

Die in den verschiedenen Probeflächen gefundenen Dichten und Biovolumen der Regenwürmer stellen nur Minimalwerte dar. Die hier angewandte Oktettmethode mit dem Standard Thielemann Gerät zur Austreibung der Regenwürmer hat eine Effizienz von 88% gegenüber der Handauslese des Bodens (Thielemann 1986). Doch auch bei der Handauslese werden noch viele, vor allem kleine Wümer übersehen (Raw 1960). Die effektiv in den Flächen vorhandenen Biomassen und vor allem die Individuendichten lagen vermutlich einiges über den gefundenen Werten.

 

Jahreszeitliche Veränderungen der Regenwurmfauna

Die häufigste anözische Art im Sihlwald ist eindeutig L. terrestris. Diese Art bleibt im Sommer auch dann aktiv, wenn die meisten anderen Regenwurmarten eine Ruhepause einlegen (Evans & Guild 1947; Gerard 1967). Das ist eine mögliche Erklärung, weshalb die vorhandene Biomasse an Regenwürmern keine Abhängigkeit von der Jahreszeit zeigte. Möglicherweise ist die Bodenfeuchtigkeit im Sihlwald aber auch im Sommer noch genügend hoch, damit Würmer mit fakultativer Diapause aktiv bleiben können (Edwards & Bohlen 1996). Die endogäische Art A. rosea fällt bei zu trockenem Boden in eine Ruhephase (Evans & Guild 1947). Im Jahr 1995 konnte diese im Sihlwald häufige Art ausser im Juni aber während der ganzen Untersuchungsperiode gefangen werden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass im Sihlwald auch im Sommer die Bodenfeuchtigkeit für Regenwürmer genügend hoch ist. Die Art N. nocturnus, die im Sommer eine obligatorische Diapause einschaltet (Satchell 1967), konnte von Anfang Mai bis Ende August auch tatsächlich nicht gefunden werden.

Ob die im Sihlwald vorhandene Biomasse an Regenwürmern keiner jahreszeitlichen Schwankung unterworfen ist, kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht schlüssig beantwortet werden. Dazu müsste eine Probefläche jeweils über einen längeren Zeitraum als nur zwölf Wochen beobachtet und zeitlich dichter beprobt werden. Skambracks (1996) stellte fest, dass die jahreszeitlichen Veränderungen in der Regenwurmfauna vorwiegend von klimatischen Faktoren abhängig sind und von Jahr zu Jahr grosse Unterschiede zeigen. Diese Unterschiede zeigen sich vor allem in der Individuenzahl. Bei schlechter Witterung (vor allem Trochenheit) ist die Zahl der juvenilen Tiere geringer und viele adulte Tiere sind inaktiv. Die Abnahme der Individuenzahl im Herbst 1995 ist vermutlich auf die Trockenheit in dieser Periode zurückzuführen. Denn im Oktober 95 fiel praktisch kein Regen (Abb. 1). Viele Arten legen bei Trockenheit eine Ruhephase ein (Evans & Guild 1947; Gerard 1967) und können dann mit der Oktettmethode vermutlich nicht mehr ausgetrieben werden.

 

Verfügbarkeit von Regenwürmern für den Dachs

Es erwies sich als sehr schwierig, die Verfügbarkeit von Regenwürmern für den Dachs zu erfassen. Nur in sehr wenigen Nächten konnten überhaupt Regenwürmer an der Oberfläche beobachtet werden. Dabei handelte es sich vermutlich um L. terrestris und Nicodrlus. sp.
(N. nocturnus od N. longa). Durch die geringe Anzahl aktiver Regenwürmer und die erheblichen räumlichen und zeitlichen Unterschiede war die Verfügbarkeit praktisch nicht erfassbar. Schon Kruuk (1978) stiess auf ähnliche Probleme und hat die Verfügbarkeit von L. terrestris über den Regenfall, die Temperatur sowie den Wind abgeschätzt. Diese Faktoren sowie die Nahrungsverfügbarkeit beeinflussen das Oberflächenverhalten von L. terrestris stark (Satchell 1983). Aufgrund der qualitativen Beobachtungen im Sihlwald kann vermutet werden, dass die Regenwurmverfügbarkeit in den Mischwäldern am höchsten ist. Die eingangs formulierte Erwartung, dass die Verfügbarkeit von der vorhandenen Regenwurmbiomasse abhängt (Kapitel 1.3) kann aufgrund der ungenügenden Datenbasis aber weder verworfen noch bestätigt werden. Kruuk (1978) fand innerhalb der Wälder unter Buchen signifikant weniger Regenwürmer (L. terrestris) als auf der übrigen Waldfläche. Tomlin (1983) gibt als beste Standorte für das Einsammeln von Regenwürmern auf der Erdoberfläche Grasland und Laubmischwälder auf lehmhaltigen Böden an. Dies sind Hinweise, dass die Verfügbarkeit von Regenwürmern in Mischwäldern vermutlich höher ist als in Buchen- und Fichtenwäldern.

Die im Sihlwald beobachtete Oberflächenaktivität von etwa zwei Regenwürmern pro m2 liegt um einiges unter dem maximalen Wert von 33 Individuen pro m2, den Kruuk (1978) für Grasland in Südengland angibt. Die Verfügbarkeit von L. terrestris in Mischwäldern dürfte aber bei guten klimatischen Bedingungen (milde, feuchte, bedeckte Nächte nach einem Regenfall; Kruuk 1978; Tomlin 1983) trotzdem genügend hoch sein, dass sich für den Dachs die Jagd auf diese Beute lohnt. Auch wenn im Wald weniger Regenwürmer an der Oberfläche aktiv sind als auf einer Fettwiese, sind diese dank dem Rascheln der Blätter leichter zu orten (eigene Beobachtungen). Für den Basisstoffwechsel benötigt ein 10 kg schwerer Dachs 510 kcal pro Tag (Iversen 1972). Dies entspricht einer Regenwurmbiomasse von 722 g (Kruuk 1978). Bei einer optimalen Ausbeute müsste ein Dachs also bei einer Verfügbarkeit von zwei Regenwürmern pro m2 und einer Regenwurmgrösse von 3 bis 4 g eine Fläche von etwas mehr als einer Aare absuchen, um den Tagesbedarf für seinen Basisstoffwechsel zu decken. Die jährliche Produktionsrate ist bei L. terrestris mit 33% bis 56% (Lakhani & Satchell 1970) ausserdem vermutlich genügend hoch, damit das Angebot an Regenwürmern durch die Prädation des Dachses nicht dezimiert wird. Die effektive Verfügbarkeit der Regenwürmer für den Dachs ist im Wald schwer zu erfassen. Direktbeobachtungen sind nur bei sehr günstigen Witterungsbedingungen möglich und liefern kleine Datenmengen, da nur kleine Flächen erfasst werden können, ohne die Regenwürmer zu stören.

 

 

7.2 Umweltfaktoren und ihre Bedeutung für Regenwürmer

Niederschlag

Der Vergleich der im Sihlwald festgestellten jährlichen Regensumme im Jahr 1995 mit den Niederschlägen in der Stadt Zürich bestätigt die Aussage im Waldgestaltungsplan, dass die Niederschläge im Sihlwald um 25-30% über denjenigen von Zürich liegen (Hünerwadel et al. 1993). Diese relativ hohen Niederschläge im Sihlwald haben sicher einen positiven Effekt auf die Regenwurmfauna, beziehungsweise auf die Präsenz der Regenwürmer im Bereich der Bodenoberfläche, da die Regenwürmer auf Feuchigkeit angewiesen sind (Gerard 1967).

Der Regenmesser auf der offenen Fläche beim Forsthaus wurde im Gegensatz zu denjenigen im Wald täglich abgelesen. Die Differenzen zu den Messungen im Sihlwald beruhen deshalb nicht nur auf dem im Wald vorhandenen Kronendach, sondern auch auf der geringeren Verdunstung beim Regenmesser in der Nähe des Forsthauses. Die im Untersuchungsgebiet fallende Niederschlagsmenge nimmt nach Lüdi & Stüssi (1941) von den Kammlagen am Albis Richtung Sihl hinab ab. Die von der Temperatur her wahrscheinlich leicht ungünstigeren klimatischen Bedingungen für Regenwürmer in den oberen Lagen im Sihlwald könnten also möglicherweise durch höhere Niederschläge wettgemacht werden.

Die im Vergleich zu den Buchenwäldern grössere Variabilität der Niederschlagsmenge in den Fichtenwäldern ist vermutlich auf die unterschiedliche Ausbildung des Kronendachs zurückzuführen. Buchen bilden ein mehr oder weniger geschlossenes Kronendach, während in Fichtenwäldern oft Löcher im Kronendach auszumachen sind, speziell in älteren Fichtenwäldern. Die Unterschiede in der über dem Waldboden gemessenen Regenmenge zwischen den Waldtypen waren gering und sehr variabel. Deshalb erstaunt es nicht, dass die Niederschlagsmenge keinen Einfluss auf die Regenwurmfauna zeigte.

 

Bodentemperatur

Die Methode der Zuckerinversion zur Temperaturbestimmung liefert sehr genaue Ergebnisse - die Fehler liegen unter 0.1 °C (Kundler 1954). Da die Geschwindigkeit der Zuckerinversion exponentiell von der Temperatur abhängig ist, liegt die erhaltene "wirksame Mitteltemperatur" je nach Temperaturschwankungen mehr oder weniger stark über dem arithmetischen Mittel und lässt sich nicht mit diesem vergleichen (Lützke 1963). Diese exponentiellen Mittelwerte, lassen aber keine Aussagen über die, für Regenwürmer eventuell kritischen, Maximalwerte zu (Lützke 1963).

Die mittlere exponentielle Bodentemperatur stieg im Sommer 1995 auf Werte, die den Schluss zulassen, dass mindestens zeitweise Temperaturen erreicht wurden, die für Regenwürmer nicht mehr optimal sind. Die optimalen Temperaturen für Entwicklung und Aktivität liegen in Europa vermutlich bei 10 bis 15 ºC (Daughberger 1988; Lee 1985). Die Bodentemperatur lag vermutlich vor allem in den obersten Bodenschichten zeitweise bei über 20 ºC. Temperaturen über 25 ºC können bei Regenwürmern zum Tod führen (Miles 1963) und sind vor allem im Zusammenhang mit geringer Feuchtigkeit ein limitierender Faktor (Nordström & Rundgren 1974). Die im Sihlwald herrschenden Bodentemperaturen liegen im Vergleich zu den offenen Flächen vermutlich um einiges tiefer. Dieser Umstand ermöglicht es den Regenwürmern, bei genügend Feuchtigkeit wahrscheinlich auch in den heissen Sommermonaten zeitweise aktiv zu bleiben. Die Verfügbarkeit von Regenwürmern ist deshalb in den Sommermonaten möglicherweise im Wald einiges höher als auf den offenen Flächen.

 

 

 

pH-Wert des Oberbodens, Mächtigkeit des Ah-Horizonts

Da die verschiedenen Umweltfaktoren teilweise stark voneinander abhängig sind, ist der direkte Einfluss einzelner Faktoren auf die Regenwurmfauna praktisch nicht nachweisbar. Speziell der Boden-pH hängt mit anderen für die Regenwürmer wichtigen Bodenfaktoren wie dem Lehmgehalt zusammen. Regenwürmer bevorzugen leicht alkalische bis mässig saure Böden, einige Arten sind aber sehr säuretolerant (Edwards & Lofty 1975; Pierce 1972). Die Art L. terrestris konnte zum Beispiel von Vimmerstedt (1983) in einem Boden mit pH-Wert 3.5 angesiedelt werden. Satchell (1955) konnte in einem Feldexperiment zeigen, dass Böden mit hohen Konzentrationen an Hydrogenionen für gewisse Regenwurmarten tödlich sein können. Für viele Arten scheint die kritische Grenze bei einem pH-Wert von 4 bis 4.5 zu liegen (Edwards & Bohlen 1996). Dies korrespondiert mit den im Sihlwald beobachteten Verhältnissen. Der pH-Wert kann aber auch direkt von den Regenwürmern beeinflusst werden. Die Ausscheidungen der Regenwürmer können in sauren Böden einen pH-Wert aufweisen, der bis zu einer pH-Einheit über derjenigen der Umgebung liegt (Lamparski 1985).

Die in dieser Untersuchung vorgenommenen pH-Messungen lassen nur grobe Aussagen zu, da jeweils nur zwei Messungen in der Mitte der Probefläche durchgeführt wurden und die Regenwurmfauna ja auch innerhalb der Probefläche eine grosse Variation zeigte. Um genauere Aufschlüsse über den Zusammenhang zwischen Regenwurmfauna und Boden-pH zu erhalten, müssten die pH-Messungen jeweils an der gleichen Stelle wie die Regenwurmextraktionen durchgeführt werden. Bieri et al. (1983) stellten auf ihrer Probefläche im Sihlwald einen pH-Wert von 6.5 fest. Dies entspricht dem höchsten Wert, der in der vorliegenden Untersuchung auf einer Probefläche festgestellt wurde. Die tiefen Werte deuten eventuell auf eine Versauerung des Oberbodens durch sauren Regen und langsamen Abbau der Buchen- und Fichtenstreu hin. Eine Versauerung des Ober- und Unterbodens durch Fichtenpflanzungen auf ehemaligen Birkenwäldern konnte von Nihlgard (1971) in Schweden nachgewiesen werden.

Die Mächtigkeit des Ah-Horizonts kann als Mass für den organischen Gehalt des Bodens dienen. Verschiedene Autoren konnten eine starke positive Korrelation zwischen organischem Gehalt des Bodens und der Anzahl und Biomasse an Regenwürmern feststellen (z. Bsp. Edwards & Bohlen 1996). Bei Nordström & Rundgren (1974) traf dies vor allem für die anözischen Arten zu. Eine Zunahme der Biomasse von L. terrestris mit steigender Gründigkeit des Bodens konnten Cuendet et al. (1997) in Dauergrünlandflächen feststellen. Vergleicht man im Sihlwald das Vorkommen der häufigsten anözischen Art L. terrestris mit der Mächtigkeit des Ah-Horizonts am Fundort, stellt man fest, dass nur ein Fundort einen Ah-Horizont mit weniger als 12 cm Mächtigkeit aufwies. Die Frage ist nun, ob diese Art nur Böden mit mächtigen humushaltigen Mineralerdehorizonten besiedelt oder ob durch die Aktivität der Regenwürmer dieser Horizont erweitert wird. Flachgründige Böden können von der Art L. terrestris vermutlich nicht besiedelt werden, da sie tiefgründige Böden benötigt, um sich während der trockenen Sommermonate in tiefere Bodenschichten zurückziehen zu können.

Da in keinem der untersuchten Buchenwäldern für die Regenwurmfauna optimale Verhältnisse festgestellt wurden (pH > 4, Ah > 10 cm), ist das im Vergleich zu den Mischwäldern geringere Regenwurmbiovolumen möglicherweise hauptsächlich auf die beiden Bodenparamter pH-Wert und Ah-Horizont zurückzuführen. Um diese Frage zu klären, müssten noch Buchenwälder mit hohen pH-Werten und mächtigem Ah-Horizont, sowie Mischwälder mit tiefem pH-Wert und schmalem Ah-Horizont untersucht werden.

 

Humusform

Die Humusform Moder, für die ein Horizont von halbzersetztem organischen Material typisch ist, lässt auf einen langsamen Abbau der organischen Substanz schliessen. Die geringe Regenwurmdichte und das geringe Regenwurmbiovolumen sind vermutlich nicht auf die Humusform zurückzuführen, sondern ermöglichen erst die Bildung eines Horizonts mit halbzersetztem organischen Material. Die zwischen den verschiedenen Waldtypen unterschiedlich ausgeprägten Humusformen können deshalb ein Hinweis auf die unterschiedliche Regenwurmaktivität sein, da diese den Abbauprozess der Streuschicht beeinflusst (Lamparski 1985; Skambracks 1996).

 

Deckungsgrad der Krautschicht

Dass der Deckungsgrad der Krautschicht keinen Einfluss auf die Regenwurmdichte und das Regenwurmbiovolumen zeigte, kann durch ihre vermutlich untergeordnete Rolle erklärt werden. Die Krautschicht liefert im Vergleich zur Baumschicht vergleichsweise wenig organisches Material, das den Regenwürmern als Nahrung zur Verfügung steht. Ausserdem wird der Schutz vor Ultraviolettstrahlung und Austrocknung durch die Krautschicht im Wald nicht entscheidend verbessert. Streuschicht und Baumschicht bieten da möglicherweise schon genügend Schutz.

 

 

Bestandesalter

Das niedrige Biovolumen in der Buchenfläche mit dem jüngsten Bestand lässt die Vermutung zu, dass Jungwuchsflächen möglicherweise eine geringere Biomasse aufweisen. Dies könnte an der geringeren jährlichen Laubstreuproduktion und damit einer kleineren verfügbaren Nahrungsmenge liegen. Um diese hypothetische Annahme zu überprüfen, müssten gezielt Jungwuchsflächen und Altholzbestände mit ähnlichen Standortverhältnissen verglichen werden.

 

Bodenfeuchtigkeit

Auch wenn die Bodenfeuchtigkeit für die Regenwürmer eine grosse Rolle spielt (Edwards & Bohlen 1996), wurde sie in dieser Untersuchung nicht festgehalten. Der Aufwand wäre wegen der grossen zeitlichen Variabilität zu gross gewesen. Die Bodenfeuchtigkeit wird in den flacheren Lagen des Sihlwaldes mit seinen frischen Böden nicht als limitierender Faktor angesehen. Der Mischwald M5 wies bei der Entnahme der Bodenprofile eine extrem hohe Bodenfeuchtigkeit auf. Auch während den Regenwurmextraktionen wies diese Probefläche zwischen zwei kleinen Waldbächen immer einen sehr feuchten Boden auf. Möglicherweise war dieser Boden dauernd wassergesättigt und für Regenwürmer zu sauerstoffarm. Dies könnte die geringe Regenwurmdichte und das tiefe Biovolumen im Vergleich zu den anderen Mischwäldern erklären.

 

 

Einfluss der Waldentwicklung auf die Regenwurmfauna

Die heutige Baumartenzusammensetzung zeigt im Vergleich zur Artenszusammensetzung gemäss potentieller Waldgesellschaft viel mehr Fichten, aber weniger Weisstannen (Abies alba) und Buchen. Da bei einer fehlenden Bewirtschaftung zudem auch mehr organisches Material in den Abbauprozess eingeht, steht den Regenwürmern mehr Nahrung zur Verfügung. Es ist also zu vermuten, dass die Regenwürmer von dieser Entwicklung profitieren werden. Das Angebot an Regenwürmern wird zunehmen und deren grossräumige Verteilung in den ebeneren Partien wahrscheinlich homogener sein, da Fichtenmonokulturen und grossflächige Jungwüchse fehlen werden. Bei der Entwicklung der kleinräumigen Heterogenität ist eine Voraussage schwierig, diese wird aber durch die natürliche Walddynamik eher zu- als abnehmen. Die zunehmende Versauerung der Oberböden in Wäldern durch den sauren Regen (Burri 1996; Frank 1993) könnte der Zunahme der Regenwürmer durch die verbesserte Nahrungssituation entgegenwirken.

 

7.3 Modell der räumlichen Verteilung der Regenwurmbiomasse

Dem Modell der räumlichen Verteilung der Regenwurmbiomasse wurden die in dieser Untersuchung festgestellten durchschnittlichen Regenwurmbiomassen der verschiedenen Waldtypen zugrunde gelegt. Da diese Resultate aber nur Minimalwerte darstellen (Kapitel 7.1, Seite 42), kann eventuell mit einem gesamthaft höheren Angebot an Regenwürmern gerechnet werden als die mit dem Modell erzielte Schätzung angibt. Die über das Modell errechnete Anzahl Dachse, die aufgrund des hochgerechneten Regenwurmangebots im Sihlwald überleben könnten, entspricht in etwa der vermuteten Dachsdichte in diesem Gebiet (Hindenlang, mündl. Mitt.).

Die Nahrung der Dachse im Sihlwald besteht zu einem überwiegenden Teil aus Regenwürmern (Minder, in Vorb.). Es ist deshalb zu erwarten, dass Dachse, die ihre Nahrungssuche auf den Wald beschränken, in den zentralen Waldgebieten mit einem hohen Regenwurmangebot kleinere Streifgebiete haben als in den nördlichen Flächen mit einem vergleichsweise geringen Angebot. Aus ersten Daten über die Streifgebiete einiger Dachse im Sihlwald (Hindenlang, in Vorb.) lassen sich schon einige qualitative Aussagen machen. Dachse, die zur Nahrungssuche den Wald auch verlassen, scheinen Home-Ranges mit geringerer Regenwurmdichte innerhalb des Waldes zu besitzen als jene Dachse, die den Wald nicht verlassen. Die Home-Range-Berechnungen basieren jedoch auf unterschiedlicher Datenmenge pro Individuum (Hindenlang, mündl. Mitt.).

Es ist geplant, die von K. Hindenlang beobachtete Raumnutzung des Dachses mit der durch das Modell vorausgesagten räumlichen Verteilung des Regenwurmangebots zu überlagern. Ein Vergleich der Aktivitätsdichte der Dachse mit dem hochgerechneten Regenwurmangebot kann genauere Erkenntnisse über die Bedeutung der Nahrungsquelle Regenwürmer für das Raumverhalten der Dachse liefern. In der Diskussion dieser Perspektiven ist allerdings zu beachten, dass das verwendete Modell sich nur auf die pro Waldtyp ermittelten Regenwurmmassen abstützt und dass der Effekt der Hangneigung hypothetischen Charakter hat. Die Beziehung zwischen Hangneigung und Regenwurmfauna gilt es also noch abzuklären. Dazu wäre die Untersuchung der im Sihlwald ausgedehnten steilen Hänge bezüglich ihrer Regenwurmfauna notwendig. Für eine solche Studie müsste wohl die Methode der Handauslese angewendet werden, da nur diese auch in sehr steilen Lagen eingesetzt werden kann. Die Standard-Oktettmethode nach Thielemann kann bis etwa 45º Neigung angewandt werden, sofern der Boden noch tiefgründig genug ist, um die Elektroden einstecken zu können (Erfahrungswerte Ökozentrum Schattweid). Methoden mit Extraktionslösungen sind wegen des Problems des Hangabflusses für eine Untersuchung dieser Art nicht geeignet. Wichtig wäre auch der Einbezug von Bodenparametern in das Modell. Dazu liegen leider noch keine Daten vor. Die Erhebung der Bodentypen ist im Rahmen der im Sihlwald laufenden Forschungen geplant und könnte das Modell vermutlich wesentlich verbessern.

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