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2 METHODEN


2.1 Untersuchungsgebiet


Der Sihlwald liegt rund 10 Kilometer südlich des Stadtzentrums von Zürich zwischen der Albis- und der Zimmerbergkette. Er umfasst rund 10 km² und gilt als grösster zusammenhängender Laubmischwald des Schweizerischen Mittellandes. Begrenzt wird der Sihlwald im Norden und Osten durch Siedlungsgebiet (Langnau und linkes Zürichseeufer), im Westen und Süden durch unterschiedlich intensiv genutztes Landwirtschaftsgebiet (Knonaueramt und Zugerland). Der grösste Teil dieser Fläche ist sehr naturnah bestockt und dank der Stiftung Naturlandschaft Sihlwald[1] wird der Wald seit 1994 grossenteils nicht mehr bewirtschaftet. Der Wald an der Sihl ist vorwiegend kleinräumig gegliedert. Abwechslungs- und Strukturreichtum bieten viele Lebensräume für Fauna und Flora: Auf den rund 1000 Hektaren des Sihlwaldes wurden 54 der 67 im ganzen Kanton vorkommenden Waldgesellschaften gefunden (HUEHNERWADEL et al. 1993).


2.1.1 Geologie, Boden, Vegetation


In den terrassenartigen oder mässig steilen Zonen haben sich aus den Verwitterungsprodukten der oberen Süsswassermolasse tiefgründige, frische bis feuchte, lehmig-tonige und mineralreiche Braunerdeböden entwickelt, die sich durch ausserordentliche Fruchtbarkeit auszeichnen. Hier stehen gut wüchsige Buchen- oder bei zunehmender Bodenfeuchte, Eschenwälder. An den Steilhanglagen des Albisgrates sowie den Erosionsfächern der Bäche ist die Bodenbildung jedoch nach wie vor gering, die Böden sind allgemein flachgründig und die Wuchsbedingungen für die Pflanzen sind suboptimal. Hier stockt ein Mosaik von Buchen-, Eiben- und Föhrenbeständen sowie beigemischten Weisstannen, Eschen und Bergahornen, wie es für unstabile Böden typisch ist. Kleinflächig bestehen jedoch bedeutende Unterschiede (GUGGELMANN & LICHTI 1962, zitiert in HUEHNERWADEL et al. 1993).


2.1.2 Klima


Mit der tiefsten Lage von ca. 470 m.ü.M. an der Sihl bei Langnau und der höchsten auf der Bürglen 914 m.ü.M., befindet sich der Sihlwald in der Uebergangszone von der submontanen zur unteren montanen Klimazone (HUEHNERWADEL et al. 1993). Im Vergleich zur Stadt Zürich sind die Niederschlagsmengen im Sihlwald höher: Neben der Nordostexposition grosser Teile des Sihlwaldes trägt die Nähe der niederschlagsreichen Voralpen zu diesem Effekt bei. Meteorologische Daten aus dem Sihlwald selbst sind keine vorhanden. Die nächstgelegene Messstation, die von der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt berücksichtigt wird, ist Wädenswil. Wegen der speziellen Lage des Sihlwaldes sind die verfügbaren Daten aber nur mit Vorsicht zu interpolieren.

Kotanalyse

2.2.1 Grundlagen


Grundlage für die Untersuchung des Nahrungsspektrums des Dachses war die Kotanalyse. Dachse setzen ihren Kot in selbstgegrabenen Gruben, sogenannten Latrinen, ab, die nicht zugescharrt werden. Die Kotstellen liegen über das ganze Gebiet des Sihlwaldes verteilt (s. Anhang 9, S.46).

Die insgesamt 88 untersuchten Kote stammen aus 41 Latrinen und wurden monatlich (ausser Dezember, Februar und September) von Karin Hindenlang gesammelt. Aus derselben Latrine lagen maximal 3 Proben vor, diese jedoch aus verschiedenen Kotgruben. Pro Monat wurden zwischen 2 (November) und 16 Kote (Mai) untersucht. Die geringe Anzahl vorliegender Kotproben in den Wintermonaten ist auf die reduzierte Stoffwechseltätigkeit der Dachse während der Winterruhe zurückzuführen. Die Sammlung der Proben konnte nur bei trockenen Witterungsverhältnissen durchgeführt werden, da sonst eine klare Trennung der einzelnen Kote von der umgebenden Streuauflage, aber auch von älteren, tieferliegenden Koten nicht mehr möglich war. Die Kote wurden bis zur Analyse in Plastikbeuteln im Tiefkühler aufbewahrt. Im Labor wurde das Material von Isabelle Minder (Diplomandin der Uni Zürich, Wildforschung & Naturschutzökologie) aufgetaut, das Volumen bestimmt, in Wasser aufgeschlämmt und durch ein 1,3 mm-Sieb, sowie ein 0,5 mm-Sieb (um Regenwurm-Borsten zu erfassen) gewaschen. Der Rückstand vom 1,3 mm-Sieb wurde dann in tierische und pflanzliche Komponenten aufgetrennt. In dieser Arbeit werden nur die pflanzlichen Nahrungstypen behandelt.


2.2.2 Sortieren und Bestimmen der ausgewaschenen Reste


Die pflanzlichen Nahrungsreste wurden unter dem Binokular (6,4- 25fache Vergrösserung) mit Hilfe von Bestimmungsliteratur, Vergleichssammlungen sowie unter Beizug von Spezialisten bestimmt und in Kategorien zusammengefasst.

Tabelle 1: Erkennungsmerkmale der einzelnen Nahrungstypen
Nahrungstyp
Erkennungsmerkmal
Referenz
Steinfrüchte
Steine
  • Referenzsammlung WSL
  • Obst & Beeren
  • Kerne / Fruchtfleisch bzw. Samen
  • Referenzsammlung WSL
  • Geobot. Inst. der ETH Zürich
  • Getreide
  • Aussenhaut des Korns (Mais), Körner (Weizen)
  • Referenzsammlung Geobot. Inst. ETH Zürich
  • Nüsse
  • Schalen
  • -
  • Pilze
  • Peridie (Aussenwand), Sporen
  • Bestimmung durch Prof. Dr. Horak vom Geobot. Inst. der ETH Zürich



Kraut- und Holzpflanzensamen
Samen
  • Referenzsammlung des Geobot. Inst. der ETH Zürich
  • Literatur: SCHOCH et al. (1988), BERGGREN (1969), BERGGREN (1981), ANDERBERG (1994)
  • Gras
  • Grashalme
  • -
  • Humus
  • Steinchen, kleine Aeste, Kräuter, Laub, Feinwurzeln, Rindenstücke, sowie Kraut- und Holzpflanzensamen
-


2.2.3 Quantifizierung


Für die Quantifizierung der einzelnen Beutetypen wurden die unverdauten Reste jeder Nahrungskategorie in der Kotprobe auf das durchschnittliche, aufgenommene Frischvolumen umgerechnet (s. Tabelle 2). Für kleine, in ihrer Gesamtheit gefressene Nahrungsbestandteile war dieses Verfahren einfach. Bei nicht zählbaren Nahrungstypen wurde das Frischvolumen über das Trockengewicht der unverdaubaren Bestandteile bestimmt:

Tabelle 2: Quantifizierungsverfahren der einzelnen Nahrungstypen

Frischvolumen (FV), Frischgewicht (FG), Trockengewicht (TG)


1) Annahme (da nicht immer Kerne vorhanden waren): Bei der grössten gefundenen Menge handelte es sich um eine ganze gefressene Frucht. Alle anderen Vorkommen von Obst wurden anhand dieser Referenz berechnet.

Das Volumen des Humus wurde nicht bestimmt, da diese Bestandteile wohl nebenbei beim Erbeuten anderer Nahrungstypen passiv aufgenommen wurden bzw. beim Kotsammeln in die Proben gelangt waren.

Die Darstellung der Kotanalyse-Ergebnisse erfolgte auf zwei Wegen. Zum einen wurde der Präsenzindex (Frequenz) jeder Nahrungskomponente in der Gesamtprobe nach folgender Formel berechnet:
Präsenzindex = Anzahl der Proben mit einer bestimmten Beute x 100 / Gesamtzahl der Proben

Diese Form der Darstellung erlaubt es jedoch nur, Aussagen über das Vorhandensein bestimmter Beuten zu treffen. Daher erfolgte die Auswertung zum anderen über den Abundanzindex (Volumenprozente), der die Volumenanteile der einzelnen Beutekategorien angibt:
Abundanzindex = Volumen einer bestimmten Beute x 100 / Σ Volumen aller Beute- typen pro Kot


2.2.4 Fütterungsversuche im Tierpark Goldau

Um Anhaltspunkte über die Verdaubarkeit von Nüssen und Pilzen zu erhalten, wurde ein Fütterungsexperiment mit zwei in einem Gehege lebenden Dachsen im Tierpark Goldau durchgeführt. Am 20. Oktober 97 erhielten die beiden Tiere neben der halben Portion alltäglichen Futters, 81 Regenwürmer, 11 Baumnüsse, 32 Haselnüsse und 9 Champignons in einem zusätzlichen Futtergeschirr angeboten. An sechs darauffolgenden Tagen, an denen die Dachse wieder das gewohnte Futter bekamen, wurden alle Kotproben auf Reste der zugefütterten Nahrungs-typen hin untersucht.



2.3 Untersuchung des Nahrungsangebots

2.3.1 Grundlagen


Die Angebotsbestimmung erfolgte bei denjenigen pflanzlichen Nahrungstypen, die nach Literaturangaben von Dachsen genutzt werden und gleichzeitig im Habitat ‘Wald’ vorkommen (HENRY 1984, HOFER 1990, KISTLER & MISTELI 1984, MOUCHES 1981). Da das Untersuchungsgebiet viel zu gross war, um in der zur Verfügung stehenden Zeit flächendeckende Analysen durchzuführen, fand eine Beschränkung auf folgende Bestandes- bzw. Strukturtypen statt:

- Laubwald
- Laubmischwald
- Nadelwald
- Waldrand
- Lichtungen

Waldesinnere
Als Waldesinneres werden im Folgenden die drei Waldbestände Laub-, Laubmisch- und Fichtenwald bezeichnet. Die Auswahl der Waldbestände erfolgte anhand einer Bestandeskarte von 1982 (HUEHNERWADEL et al. 1993) im Massstab 1:10’000, welche Alter, Mischungsverhältnis und Hauptbaumart der Bestände angibt (s. Anhang 10, S.47).


Waldrand
Als Waldrand wurde in dieser Untersuchung ein 3-5 Meter breiter Uebergangsbereich (je nach Aufnahmemethode) von Wald zu Landwirtschafts- bzw. Siedlungsfläche bezeichnet. Der Uebergangsbereich zur Sihltalstrasse galt somit nicht als Waldrand.

Lichtungsrand
Die Lichtungsränder wurden als innere Waldränder behandelt. Die Auswahl der Lichtungsränder erfolgte aufgrund des Waldgestaltungsplanes des Sihlwaldes (HUEHNERWADEL et al. 1993), wobei nur Ränder von Lichtungen, die grösser als 1 Hektare waren, in die Untersuchung eingingen.


2.3.2 Kirschen (Prunus avium)


Kartierung der Kirschbäume
Zum Blühzeitpunkt der Kirschbäume (April) wurden diese flächendeckend in den ausgewählten Beständen aufgenommen und in der Bestandeskarte (s. Anhang 11, S.48) eingezeichnet (Genauigkeit: ±2 mm = ±10 m im Gelände). Zusätzlich wurde noch der Brusthöhendurchmesser (1,60 m ab Boden, Genauigkeit: ±1 cm) notiert. Da zu diesem Zeitpunkt das Blätterdach der Laubbäume noch nicht voll entwickelt war, konnten die Kirschbäume aus relativ gros-ser Distanz erkannt werden. Die Kartierung erfolgte über drei Wochen verteilt, da die individuellen Blühzeitpunkte, sowie die Höhenlage (der Sihlwald erstreckt sich von 464-914 m.ü.M.) zur Erfassung des gesamten Angebots berücksichtigt werden mussten.

Angebotsbestimmung
Zur Reifezeit (Stichtage: 7./8. Juli) der Früchte wurden diejenigen Bäume (n=18) auf ihr Kirschenangebot hin untersucht, deren Brusthöhendurchmesser am nächsten beim Mittelwert aller Bäume lag und die auf mehr oder weniger ebener Lage stockten (bei Bäumen an Steilhängen rollen die Kirschen hangabwärts). Da das Angebot an Kirschen auf dem Boden erstaunlich gering war, wurden alle auf dem Boden liegenden Kirschen gezählt (Umkreis je nach Baumgrösse). Die angefressenen Früchte wurden separat aufgenommen und gingen als halbe Früchte in die Angebotsbestimmung ein. Das Gesamtangebot an Kirschen (s. Anhang 8, S.45) wurde durch Multiplikation der ausgezählten Kirschen der Stichprobenbäume mit der Anzahl gefundener Kirschbäume ermittelt.

Angebotsdauer
Die Angebotsdauer der untersuchten Nahrungstypen wurde nur qualitativ (Beobachtung) angegeben. Da in dieser Arbeit das Angebot des Jahres 1997 mit der Nutzung des Jahres 1996 verglichen wird, war eine quantitative Angabe der Angebotsdauer nicht sinnvoll.


2.3.3 Brombeeren (Rubus fruticosus)


Mangels geeigneter Luftbilder vom Sihlwald, musste das Brombeerangebot mit Hilfe von Stichproben bestimmt werden.

Stichproben
In den ausgewählten Bestandestypen wurde auf der Bestandeskarte (HUEHNERWADEL et al. 1993) ein Stichprobennetz eingezeichet. Da die Brombeeren im ganzen Gebiet des Sihlwaldes vorkommen und keine regelmässige Verteilung erwartet wurde, fand die systematische Stichprobennahme Verwendung. Das Stichprobennetz wurde in den einzelnen Beständen soweit verdichtet, dass jeder Bestandestyp mit je 30 Stichprobenflächen vertreten war (s. Anhang 11, S.48). Um einen Anhaltspunkt über die erforderliche Anzahl Stichproben zu erhalten, wurde das Stichprobennetz in einigen Mischwaldbeständen (Nr. 2203, 2402, 3013 und 3111) auf die doppelte Anzahl verdichtet (n=14). Auf den Lichtungen bzw. am Waldrand wurden die Stichprobenpunkte im Abstand von 50m bzw. 100m (im Gelände) angeordnet (45 bzw. 34 Stichprobenflächen).
Im Gelände wurden die Stichprobenpunkte aufgesucht und allenfalls in nördlicher Richtung verschoben (Ausschlusskriterien: Wege, Feuerstellen, Hütten, Rutschungen, Felsen und Bäche). Auf einer Fläche von 200m² (im Waldinnern) bzw. 50m² (Waldrand/Lichtungen) wurde der Deckungsgrad in Anlehnung an BRAUN-BLANQUET (1964) geschätzt.

Angebotsbestimmung
Zur Reifezeit (Stichtage: 25./27. Aug. und 2. Sept.) wurde das Beerenangebot auf zufällig ausgewählten, 3x3 Meter grossen Flächen (Deckungsgrad betrug 100%) gezählt (n=21) und anschliessend linear auf die gesamten Bestände hochgerechnet (s. Anhang 8, S.45).


2.3.4 Haselnüsse (Corylus avellana)


Es wurden dieselben Stichprobenflächen und Methoden wie bei der Angebotsbestimmung der Brombeeren verwendet.

Angebotsbestimmung
Zur Reifezeit (Stichtag: 3. Okt.) wurden die am Boden liegenden bzw. die sich bis maximal 1 Meter über Boden befindlichen (nach NEAL 1977 klettern Dachse nur selten und ungeschickt), nicht von Parasiten befallenen Nüsse von 20 Sträuchern gezählt. Anschliessend wurde das Gesamtangebot analog wie bei den Brombeeren ermittelt.


2.3.5 Hypogäische (unterirdische) Pilze


Quantitative Methode
In den ausgewählten Bestandestypen (s. S.10) wurden die Stichprobenflächen nach der Mächtigkeit der Humusschicht ausgewählt, da die hypogäischen Pilze ihre Fruchtkörper zwischen dem meist relativ kompakten Mineralerdehorizont und der lockeren Humusschicht ausbilden (FOGEL 1976). Auf den Stichprobenflächen wurde ein systematisches Stichprobennetz angelegt (Maschenweite: 2 m). Auf Flächen von 1 m² wurde die Streuschicht entfernt und ca. 5-10 cm tief in den Mineralerdehorizont gegraben.

Qualitative Methode
In zufällig ausgewählten Beständen wurde nach Tierspuren (in erster Linie von Mäusen und Eichhörnchen) gesucht (CLARIDGE & MAY 1994, PIROZYNSKI & MALLOCH 1988, BERGSTORM 1979). Oft werden von den Kleinsäugern nicht die ganzen bzw. nicht alle Pilze ausgegraben, sodass eine grosse Wahrscheinlichkeit besteht, die patchweise vorkommenden Fruchtkörper dort zu finden (S. EGLI, mündl.).





[1]Zusammenschluss von Pro Natura Schweiz, Pro Natura Zürich, Stadt Zürich, Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften und Naturforschende Gesellschaft in Zürich.

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