Zurück Weiter Titelseite Inhaltsverzeichnis

4 DISKUSSION

4.1 Diskussion der Methoden

4.1.1 Kotanalyse


Bei der Beurteilung der Ergebnisse muss beachtet werden, dass jede wissenschaftliche Methode ihre Vor- und Nachteile hat und die Wirklichkeit nur bis zu einem gewissen Grad zu widerspiegeln vermag. Im Vergleich zur Mageninhaltsanalyse (LUEPS et al. 1987) ist die Kotanalyse praktisch besser durchführbar und hat neben der grösseren Anzahl verfügbarer Stichproben den riesigen Vorteil, dass das Tier dabei am Leben bleibt. Der grösste Nachteil der Kotanalyse ist die ungenaue, quantitative Erfassung der einzelnen Nahrungsbestandteile:

Die Probleme bei der Interpretation der Kotanalyse machen sich auch in den verschiedenen Auswertungsverfahren bemerkbar: Eine früher häufig angewandte und auch heute noch beim Dachs praktizierte Methode ist die Ermittlung der Auftretensfrequenz (Präsenzindex) einer bestimmten Beute (s. S.10). Sie ist vor allem für Vergleiche der Nahrung von Tieren verschiedener Gebiete bzw. zu verschiedenen Zeiten nützlich. Allerdings hat sie zwei entscheidende Nachteile: Zum einen wird häufig gefressene Beute deutlich unterschätzt, da pro Probe nur ein Stück oder Exemplar der jeweiligen Art angenommen wird. Zum anderen wird kleine Beute überbewertet, da keine Grössenunterschiede einberechnet werden. Da der Dachs aber einerseits oft grosse Mengen von ein und demselben Beutetyp aufnimmt, andererseits die Grössenunterschiede der gefressenen Nahrung stark variieren, wurde ein weiteres Auswertungsverfahren (Abundanzindex) angewendet: KRUUK & PARISH (1981) schlugen ein Verfahren der Volumenschätzung vor. Hierbei wird, wie in der im Sihlwald angewandten Methode, für jede Nahrungskomponente in einer Probe das aufgenommene Volumen bestimmt. Dies geschieht bei KRUUK & PARISH (1981) durch Multiplikation der Anzahl der Reste mit dem geschätzten Volumen der jeweiligen Beute. Obwohl diese Methode in letzter Zeit auch von anderen Autoren angewandt wurde (z.B. CIAMPALINI & LOVARI 1985, PIGOZZI 1988, SHEPERDSON et al. 1990, HOFFMANN & STUBBE 1993, MOUCHES 1981, HARRIS 1984), ist sie mit Fehlern behaftet: Im Prinzip funktioniert diese Methode nur, wenn die Anzahl und die Durchschnittsvolumen der gefressenen Nahrungstypen bekannt sind. Bei grosser Beute (Aas) sowie bei unzählbaren Nahrungstypen (Getreide, Pilze, Gras...) können die in den Koten auftretenden Reste nicht einem in seiner Gesamtheit gefressenen Beutetyp zugeordnet werden. Man kommt also um eine grobe Berechnung der Volumina nicht herum. Unzureichend ist aus-serdem die Annahme einer konstanten Kotvolumengrösse, welche bei der Bestimmung der aufgenommenen Regenwurmanzahl aus deren Borsten vorausgesetzt wird (MINDER mündl.). Es konnte nämlich eine signifikant unterschiedliche Grösse der Kote in den Sommer- und Herbstmonaten (Juli-Oktober) im Vergleich zu den restlichen Monaten festgestellt werden (T-Test, P=0.03, n=88).

KISTLER & MISTELI (1984) bestimmten in ihrer Untersuchung das aufgenommene Frischvolumen mit Hilfe von Stichproben. Ob die Kotproben für ein solches Verfahren genügend homogen sind, ist zu bezweifeln. Noch kritischer zu betrachten sind allerdings die sehr geringen Mengen mit welchen gerechnet wird, denn jeder Fehler wird bei den Umrechnungsvorgängen vervielfacht. Im Gegensatz zu dem von KRUUK & PARISH (1981) vorgeschlagenen Verfahren, berücksichtigen KISTLER & MISTELI (1984) aber die Tatsache, dass das Volumen nicht-zählbarer Bestandteile (s. S.9) nicht geschätzt werden kann. Diese Bestandteile werden bei ihrer Methode getrocknet und anhand von Umrechnungsfaktoren (Verhältnis von Trocken- zu Frischgewicht bzw. unverdaubare zu verdaubaren Anteilen) wird das aufgenommene Gewicht der jeweiligen Beute bestimmt.

Die Analyse der Kote vom Sihlwald wurde in Anlehnung an das von KISTLER & MISTELI (1984) beschriebene Verfahren durchgeführt. Um die oben erwähnten Ungenauigkeiten durch die Stichprobennahme zu vermeiden, wurde in dieser Arbeit jeweils der gesamte Kot analysiert. Ausserdem wurde mit Frischvolumen gearbeitet, um die Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungen (welche die Methode von KRUUK & PARISH 1981 wählten) sicherzustellen.

Die grösste Kritik der im Sihlwald angewandten Methode liegt bei der Umrechnung der oft sehr geringen Trockengewichtswerte (einige Gramme bzw. Zehntelsgramme) in Frischvolumen. Die Frage ist berechtigt, ob mit dieser Methode nicht eine Genauigkeit angestrebt wird, die aufgrund der genannten Grundmängel (s. S.25) der Kotanalyse überhaupt nie erreicht wird. Als weiterer Kritikpunkt ist die unbekannte Verdaubarkeit bei Nüssen und Pilzen zu sehen. Das gezielte Fütterungsexperiment mit Dachsen aus dem Tierpark in Goldau (s. S.10) ergab eine Unterbewertung bei der Frischvolumenbestimmung der Haselnüsse. Die Dachse sind nämlich fähig, Nüsse praktisch vollständig zu ‘schälen’. Die unverdaubare Schalenmenge lässt deshalb keine Rückschlüsse auf die tatsächlich aufgenommene Menge zu. Bei den Baumnüssen und Pilzen, deren aufgenommenes Frischvolumen direkt aus dem Trockengewicht berechnet wurde (keine Berücksichtigung des verdaubaren Anteils), fand vermutlich ebenfalls eine Unterbewertung der aufgenommenen Menge statt. Eine Bestimmung des verdaubaren Anteils aus dem Fütterungsexperiment war leider nicht möglich, da die gebotenen Champignons kaum angerührt wurden, und eine Trennung der unverdaubaren Baumnussresten von jenen der Haselnüsse nicht mehr möglich war. Neben diesen zu geringen Volumenangaben für pflanzliche Bestandteile fand auch bei der Bestimmung des aufgenommenen Regenwurmvolumens eine Unterbewertung gegenüber den Untersuchungen, die nach KRUUK & PARISH (1981) arbeiteten, statt[8]. Bei der prozentualen Betrachtungsweise werden sich dadurch die methodisch bedingten Unterschiede wieder angleichen.

Inwiefern die Methodenwahl die Ergebnisse beeinflusst, ist schwierig abzuschätzen. Die diesbezüglich von KISTLER & MISTELI (1984) durchgeführten Versuche, brachten aber keine nennenswerten Unterschiede der Ergebnisse hervor, sodass ein Vergleich mit Untersuchungen, welche nach KRUUK & PARISH (1981) gearbeitet haben, gerechtfertigt erscheint.

Bestimmung des Nahrungsangebots


Die Verifizierung der Bestandesgrenzen im Gebiet selbst war nicht immer ganz einfach, da die Erhebungen für die Bestandeskarte (HUEHNERWADEL et al. 1993) bereits rund zehn Jahre zurück liegen. Zur Abgrenzung der Bestände wurden somit oft weitere Anhaltspunkte (Wegnetz, Bäche, etc.) beigezogen. Die Kartierungen neueren Datums (1994) waren zur Zeit dieser Untersuchung noch nicht veröffentlicht.

Kritikpunkte:
Der Zeitpunkt, an welchem die Angebotsbestimmung der Kirschen, Brombeeren und Haselnüsse erfolgte, wurde durch qualitative Beobachtungen bestimmt. Die individuellen Fruchtzeitpunkte der untersuchten Nahrungstypen führte dabei zu Unsicherheiten in der Wahl des geeigneten Aufnahmezeitpunktes. Auch bei der Kartierung der Kirschbäume erschwerten individuelle Blühzeitpunkte die Arbeit, sodass die Liste der erfassten Bäume vermutlich nicht vollständig ist.

Kirschen: Die Angebotsbestimmung der Kirschen basiert auf der Annahme, dass ein linearer Zusammenhang zwischen dem Alter bzw. dem Brusthöhendurchmesser und dem Kirschenangebot besteht. Da die phänotypische Plastizität der einzelnen Bäume sowohl in der Wuchsform als auch in der Fruchtmenge zu weit grösseren Ungenauigkeiten führt, lässt sich diese Vereinfachung rechtfertigen.
Brombeeren: Bei der Bestimmung der Anzahl Beeren pro Fläche ist darauf hinzuweisen, dass längst nicht alle Individuen (verstanden als Mutterpflanze mit Ausläufern) Brombeeren aufweisen. Vor allem einzeln vorkommende Pflanzen bilden meistens keine Beeren aus. Diese einzeln wachsenden Brombeerstauden scheinen sich rein vegetativ zu vermehren. Eine Ueberschätzung des Beerenangebots ist deshalb wahrscheinlich, da die Beeren nur auf Flächen ausgezählt wurden, wo der Boden vollständig von dieser Pflanze bedeckt war.

Ob die gewählte Anzahl Stichproben für jeden Bestandestyp ausreicht, ist schwierig abzuschätzen. Eine Verdichtung des Stichprobennetzes in einem ausgewählten Bestandestyp (s. S.12) brachte allerdings keine signifikanten Aenderungen der Resultate (Mann-Whitney U-Test, P=0.23, n=21).

Obwohl diese Kritikpunkte nicht zu vernachlässigen sind, lässt sich sagen, dass das Gesamtangebot der untersuchten Nahrungstypen dadurch kaum beeinflusst wurde.


4.1.3 Vergleich Nutzung-Angebot


Die in Abb. 13/14 dargestellten Resultate der Angebotsmengen beruhen auf der Annahme, dass die nicht untersuchten Waldbestände (rund 63%) ein mittleres Angebot der untersuchten Bestände aufweisen. Inwiefern diese Annahme mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt, ist schwierig abzuschätzen, da keine Anhaltspunkte zum Angebot jener Bestände bestehen. Die volumetrische Angebotsbestimmung (s. Anhang 8, S.45) war für den Vergleich mit der ebenfalls in Millilitern gemessenen Nutzung unumgänglich. Diese mehrere Umrechnungen erforderliche Angabe beinhaltet aber die Gefahr, dass sich Ungenauigkeiten bei jedem Umrechnungsschritt vervielfachen. Ausserdem sagt das volumetrische Angebot nichts über die Anzahlen aus, welche gerade bei den Regenwürmern von entscheidender Bedeutung sein könnten (s. unten).



4.2 Beurteilung der Nahrungsnutzung


Die Bedeutung der Regenwürmer in der Nahrung der Sihlwalder Dachse ist mit 78% des Gesamtvolumens von enormer Wichtigkeit. Die dominierende Stellung der Regenwürmer ist in Mitteleuropa vor allem aus Waldhabitaten bekannt, wo die Anteile an der Gesamtnahrung zwischen 43% und 53% betragen (HENRY 1983, MOUCHES 1981, LAMBERT 1990, HOFMANN & STUBBE 1993). Bei KRUUK & PARISH (1981) aus Schottland, welche den Dachs als Regenwurmspezialisten bezeichneten, betrug der Regenwurmanteil an der Gesamtnahrung 54% (ohne Blätter 59%). Die Autoren berichten, dass die Würmer praktisch in allen Kotproben mit über 50% vorhanden waren.

Diese Konstantheit, mit welcher die Regenwürmer in Schottland auftraten, konnte im Sihlwald nicht festgestellt werden (längst nicht alle Kote wiesen über 50% Regenwürmer auf). Die Würmer treten hier vor allem im Winter, Frühjahr und Herbst in Erscheinung (Abb. 4). Anfangs Sommer geht dann der Konsum der Regenwürmer durch die Dachse deutlich zurück (Abb. 6). HOFMANN & STUBBE (1993) führen diesen Rückgang auf die verminderte Oberflächenaktivität der Würmer zurück, da ein Wasserdefizit des Bodens diese veranlasst, tiefere Schichten aufzusuchen. Im feuchten Sihlwald ist ein Austrocknen des Waldbodens während den heissen Sommermonaten unwahrscheinlich[9] und nach NABULON (in Vorb.) bleibt die Biomasse der Würmer übers ganze Jahr konstant. Einzig die Anzahl der Individuen nimmt im Sommer ab, d.h. es sind weniger, dafür grössere Würmer verfügbar. Der sommerliche Rückgang der Regenwürmer in der Dachsnahrung könnte deshalb mit den längeren Suchzeiten für diesen Nahrungstyp erklärt werden. Diese Hypothese bedarf aber noch weiterer Untersuchung. KISTLER & MISTELI (1984) erklären den Rückgang der Regenwurmnutzung mit einer Präferenz für Alternativnahrung. Gezielte Fütterungsexperimente wären notwendig, um diese Vermutung zu testen.

An Stelle der Regenwürmer tritt im Sommer neben weiterer tierischer Nahrung (v.a. kleine Wirbeltiere, Insekten und Schnecken) pflanzliche Alternativnahrung. Damit steigt auch die Diversität des Nahrungsspektrums an (Abb. 8). Im Herbst erreicht die Anzahl genutzter Nahrungstypen ihren Höhepunkt, was vermutlich auf die grosse Vielfalt reifer pflanzlicher Nahrungstypen zurückzuführen ist. Ab August gewinnen die Regenwürmer wieder an Bedeutung in der Dachsnahrung. Eventuell lässt sich diese erneute Zunahme der Regenwurmnutzung mit dem Anlegen von Fettreserven für die Winterruhe erklären (Abb. 11), denn die v.a. im Herbst genutzten Früchte und Beeren beinhalten rund einen Drittel weniger Energie als die Regenwürmer (s. Anhang 7, S.44). Aufgrund der vom Sihlwald vorliegenden Resultate muss die von HOFMANN & STUBBE (1993) aufgestellte Hypothese bezweifelt werden: Sie vermuten, dass die kohlenhydratreiche pflanzliche Nahrung eine wichtige Grundlage für die Anlage der Fett- und damit Energiereserven darstellt, von denen im Winter gezehrt wird. Darüber hinaus vermutet SKOOG (1970) sogar, dass das Fehlen pflanzlicher Nahrung im Herbst die Konstitution der Dachse so weit schwächt, dass die Fortpflanzung im darauffolgenden Frühjahr gefährdet ist.

Die pflanzliche Nahrung ist im Sihlwald mit 7% der Gesamtnahrung verschwindend klein. Einzig HENRY (1984) berichtet von einer ebenso geringen Nutzung der pflanzlichen Nahrungstypen. Wie die verschiedenen Untersuchungen aus Mittel- und Westeuropa zeigen, scheint die pflanzliche Nahrung stark gebietsspezifisch und habitatabhängig zu sein: In Süd-england (SHEPHERDSON et al. 1990, SKINNER & SKINNER 1988) wird in erster Linie Getreide, v.a. Hafer und Mais gefressen. LAMBERT (1990) aus Frankreich berichtet von Mais und Eicheln als Alternativnahrung und im Osten Deutschlands (HOFMANN & STUBBE 1993) wurden neben Früchten und Obst ebenfalls sehr viele Eicheln gefunden. Aus der Schweiz (STOCKER & LUEPS 1984, KISTLER & MISTELI 1984) wird von Früchten (Kirschen und Zwetschgen) und Mais in grösseren Mengen berichtet.

In den Koten der Dachse im Sihlwald konnten ebenfalls Früchte gefunden werden. Diese treten aufgrund ihrer kurzen Verfügbarkeitsdauer nur eine beschränkte Zeit in den Koten auf, dann allerdings in grossen Mengen (Abb. 3). Bereits ab Juli stehen den Dachsen die Kirschen zur Verfügung, bei welchen es sich vermutlich um Wildkirschen handelt (eine Unterscheidung anhand der Kirschsteine war nicht möglich[10]). Beim Vergleich mit der Untersuchung am Gurten bei Bern (KISTLER & MISTELI 1984) wurde deshalb der volumenunabhängige Präsenzindex verwendet: Im Habitat Sihlwald konnte zur Reifezeit (Juli, August) eine deutlich geringere Nutzung der Kirschen (Frequenz Juli/Aug.: 17%) gegenüber dem grösstenteils landwirtschaftlich geprägten Gebiet am Gurten (Frequenz Juli/Aug.: 92%) festgestellt werden.

Ab August steht den Dachsen eine neue Nahrungsquelle zur Verfügung: das Obst. Obwohl vor allem im angrenzenden nördlichen und westlichen Teil des Untersuchungsgebietes viele Obstbäume stehen, konnten zur Reifezeit einzig in einer Kotprobe Aepfel nachgewiesen werden. Während KISTLER & MISTELI (1984) im Landwirtschaftsgebiet mit reichlichem Obstangebot keine Hinweise auf einen Verzehr von Obst finden konnten, berichten dafür HOFMANN & STUBBE (1993) von grossen, aufgenommenen Mengen während der Verfügbarkeit (45% Aepfel und 46% Birnen). Diese Daten basieren allerdings auf einer Ueberbewertung der Obstmenge, da bei der verwendeten Methode (KRUUK & PARISH 1981) von der Annahme ausgegangen wird, dass die ganze Frucht verzehrt wird, wenn ein Kern in der Kotprobe auftritt. Die im Winter (Januar/Februar) in den Koten auftretenden Aepfel (Abb. 4) stammen höchstwahrscheinlich von einem Komposthaufen oder einer Wildfütterungsstelle.

Die nur in einer Kotprobe gefundenen Zwetschgen, werden vermutlich häufiger genutzt als dies die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen (Abb. 7). Einerseits wurde mir von Landwirten bestätigt, dass 1996 nur relativ geringe Erträge erzielt wurden, und andererseits könnte diese geringe Nutzung mit dem Fehlen von Kotproben aus dem Monat September (grösste Reifezeit) erklärt werden. Die Verfügbarkeit von Zwetschgen wäre vor allem im nördlich angrenzenden Siedlungsgebiet, wo einige Zwetschgenbäume in unmittelbarer Nähe des Waldrandes stehen, sehr gross.

Neben diesen zeitlich auf wenige Wochen begrenzt verfügbaren Früchte, dauert das Brombeeren- und Nussangebot einige Monate. Obwohl die Brombeeren im Gegensatz zu den Nüssen teilweise in grossen Anzahlen gefressen wurden, ist der Volumenanteil beider Nahrungskategorien in den Koten verschwindend klein (Abb. 7). Aus anderen Untersuchungen wird von einer ähnlich geringen Bedeutung sowohl bei den Brombeeren (SHEPHERDSON et al. 1990, HOFER 1988, CIAMPALINI & LOVARI 1985) als auch bei den Nüssen (KISTLER & MISTELI 1984, MOUCHES 1981) berichtet.

Mais und Pilze werden vom Dachs übers ganze Jahr in sehr geringen Mengen genutzt. Obwohl die Verfügbarkeit der reifen Maiskolben auf den Feldern auf eine kurze Zeit (September/Oktober) beschränkt ist, tauchte diese Beute übers ganze Jahr in den Koten auf (Abb. 7). Die Tatsache, dass im Sihlwald Wildschweine mit Mais gefüttert werden, aber auch Maisköder für den Dachsfang auslagen, erklärt das ganzjährige Vorkommen von Mais in den Koten. In den Wintermonaten könnte dieser Nahrungstyp allerdings auch von untergepflügten Maisresten auf den Feldern stammen (NEAL 1996, KRUUK & PARISH 1985). Obwohl nach HINDENLANG (mündl.) 50% der 1996/97 telemetrierten Dachse (n=6) den Wald verliessen, konnte Anfang Oktober nur geringfügig mehr Mais in den Koten nachgewiesen werden. Getreide scheint allgemein in Waldhabitaten von untergeordneter Bedeutung zu sein und ihr Anteil an der Gesamtnahrung liegt unter 2% (MOUCHES 1981, HOFMANN & STUBBE 1993, HENRY 1984). Im Gegensatz dazu werden in Landwirtschaftsgebieten teilweise grosse Mengen an Getreide gefressen, wie dies z.B. Untersuchungen aus England zeigen (SHEPHERDSON et al. 1990 / SKINNER & SKINNER 1988): 30% bzw. 32% der Gesamtnahrung. Pilze wurden in anderen Untersuchungen (KRUUK & PARISH 1981, KRUUK & DeKOCK 1981, CIAMPALINI & LOVARI 1985, MOUCHES 1981, HENRY 1984[11]) ebenfalls nur in geringen Mengen nachgewiesen.

Aufgrund der angewandten Methode kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere pflanzliche Nahrungstypen aufgenommen wurden, wie z.B. Erdbeeren oder Heidelbeeren. Da ihre Samen zu klein, d.h. kleiner als 1,3 mm sind, gingen diese während des Auswaschungsvorganges (s. S.8) verloren. Allerdings wurden solche Vermutungen bei einer stichprobenartigen Untersuchung des Feinmaterials aus dem 0,5 mm-Sieb nicht bestätigt. Fehlend in der Dachsnahrung im Sihlwald sind die Eicheln, welche in anderen Untersuchungen (KISTLER & MISTELI 1984, STUBBE & HOFMANN 1993, LAMBERT 1990) teilweise in grossen Mengen nachgewiesen werden konnten. Da die Eichen v.a. an warmen, trockenen Standorten tiefer Lagen vorkommen (HUEHNERWADEL et al. 1993), lassen sich praktisch keine Bäume im feuchten Sihlwald finden.

Das Auftreten weiterer Baum-, Strauch- und Krautsamen in den Koten fand in den Untersuchungen anderer Autoren keine Erwähnung. Dies wohl hauptsächlich, weil diese Samen entweder bei der Nahrungsaufnahme unabsichtlich als ‘Humus’ mit in den Darm des Dachses gelangen, oder aber durch die Kotsammlung (die Trennung der Kote von der umgebenden Streuschicht ist nicht immer ganz einfach) zum Untersuchungsmaterial gelangten. Trotzdem können die gefundenen Samen interessante Auskünfte geben:

Bei den Baumsamen traten in erster Linie Fichtensamen in den Koten auf (Frequenz: 35%). Die grosse Anzahl dieser Samen könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Dachs seine Nahrung eher in Mischwald- bzw. in Fichtenbeständen findet. Die sehr selten in den Koten aufgetretenen Bucheckern (Frequenz: 5%) scheinen während der Kotsammlung zum Untersuchungsmaterial gelangt zu sein, denn sie erschienen immer vollständig unverdaut in den Kotproben. Die auf Artniveau bestimmten Strauch- und Krautpflanzensamen können interessante Hinweise über die vom Dachs besuchten Habitate liefern. Neben der beiläufigen Aufnahme der Krautsamen während der Nahrungssuche wird vermutet, dass diese in erster Linie im Fell der Dachse haften bleiben und anschliessend beim Putzen (nach NEAL & CHEESEMAN 1996 säubern die Dachse ihr Fell wie Katzen) in den Verdauungstrakt gelangen. Auch spezielle Haftvorrichtungen einiger Pflanzensamen deuten auf ein Hängenbleiben im Fell hin.

Sowohl der Löwenzahn (Taraxacum officinale) als auch der kriechende Hahnenfuss (Ranunculus repens) sind keine Waldarten (s. Anhang 4, S.41). Diese Arten wachsen in erster Linie auf Fettwiesen bzw. auf Aeckern und an Wegrändern auf feuchtem, lehmigem Boden (LAUBER & WAGNER 1993). Da grössere bewirtschaftete Lichtungen bzw. Wegränder die Wuchsbedingungen für diese Arten ebenfalls erfüllen, kann nicht mit Sicherheit auf einen Habitatwechsel geschlossen werden. Auch der Holunder (Sambucus sp.), welcher auf lichte Standorte angewiesen ist (LAUBER & WAGNER 1993), findet man auf speziellen Standorten innerhalb des Waldes. Zusammenfassend kann anhand der besprochenen Arten bzw. Gattungen zwar nicht mit Bestimmtheit darauf geschlossen werden, dass die Dachse das Habitates Wald verlassen. Aber die Häufigkeit des Vorkommens dieser Arten bzw. Gattungen an bestimmten Standorten lässt ein Umherstreifen der Dachse in jenen Habitaten vermuten (vgl. Ausblick, S.34).

Bei der auf Absolutwerten basierenden Berechnung der durchschnittlich aufgenommenen Energiemengen pro Kot (Abb. 11), konnte aufgrund methodisch bedingter Unterschiede (s. S.26) kein Vergleich mit anderen Untersuchungen angestellt werden: Beim Vergleich des für einen 10 kg schweren Dachs erforderlichen Grundmetabolismus von 510 kcal. pro Tag (IVERSEN 1972, zitiert in KRUUK 1978) mit dem Energiegehalt pro Kot, muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Dachse 2-3 mal pro Nacht koten (s. S.25). Unter der Annahme, dass die pro Nacht von einem Dachs abgegebenen Kote etwa denselben Energiegehalt aufweisen, das heisst, dass der Energiegehalt pro Kot mit 3 multipliziert werden darf, wiesen einzig 3 Kote aus dem Monat April eine dem Grundmetabolismus entsprechende Energiemenge auf. Dieser Grundmetabolismus, für dessen Deckung 169 Würmer pro Tag notwendig wären (KRUUK 1978), muss allerdings in Frage gestellt werden. Im Sihlwald wurde die erforderliche Anzahl Regenwürmer nämlich nur in zwei Koten gefunden und ausserdem braucht der Dachs für seine nächtlichen Aktivitäten weit mehr Energie als dies der Grundmetabolismus verlangt.



4.3 Beurteilung des Nahrungsangebots


Die neben den Wald- und Lichtungsrändern untersuchten Bestandestypen Laub-, Laubmisch- und Fichtenwald, verteilen sich ganz unterschiedlich über den gesamten Sihlwald (s. Anhang 11, S.48). Die Verhältnisse in den einzelnen Beständen sind aber keineswegs homogen. Je nach Standort, Umweltbedingungen, historischen Ereignissen und menschlichen Einflüssen, sind vor allem in der Krautschicht grosse Unterschiede erkennbar. Generelle Aussagen über das Angebot eines Bestandes beziehen sich deshalb immer auf einen Mittelwert dieses kleinflächigen Standortmosaikes.

Die Lichtbedürftigkeit (LANDOLT, 1977) der untersuchten Nahrungstypen (Kirschen, Brombeeren und Nüsse) führt zu einem erhöhten Angebot an den Wald- bzw. Lichtungsrändern gegenüber dem Waldesinnern (Abb. 12). Für die nicht auf ihr Angebot hin untersuchten Nahrungsbestandteile (Zwetschgen, Aepfel, Baumnüsse, Weizen und Mais) gilt sogar, dass sie nicht innerhalb des Waldes vorkommen und normalerweise absichtlich vom Menschen angepflanzt und gepflegt werden (Ausnahme: Himbeeren, welche im Sihlwald aber nur sehr selten angetroffen wurden). Das geringere Frucht-, Beeren- bzw. Nussangebot pro Pflanze im Waldesinnern im Vergleich zu den Uebergangshabitaten, ist auf die verminderte Vitalität der Individuen zurückzuführen. Die unter reduzierten Lichtverhältnissen wachsenden untersuchten Arten können ihre Ressourcen nur beschränkt in die Fortpflanzung investieren.

Im Waldesinnern weist der Bestandestyp Mischwald das grösste Angebot an den untersuchten Nahrungstypen, sowie an Regenwürmern (NABULON in Vorb., s. Anhang 8, S.45) auf. Einzig die Brombeeren zeigen in den Fichtenbeständen ein höheres Angebot. Eine Erklärung für das zum Teil flächendeckende Vorkommen der lichtbedürftigen Brombeeren in den Fichtenbeständen ist neben standörtlichen und umweltbedingten Gegebenheiten wohl in der Geschichte der Waldbewirtschaftung zu suchen. Kahlschläge sorgten für genügend Licht, sodass sich die Brombeere ausbreiten konnte. Da sich diese Pflanze vegetativ fortpflanzen kann, überlebt sie unter erschwerten Bedingungen, bildet dann allerdings keine Früchte aus. Das rund 10 mal grössere Beerenangebot pro Hektare an den Waldrändern gegenüber den Fichtenbeständen bei gleichem Deckungsgrad, unterstützt diese Hypothese (s. Anhang 8, S.45). Die sich vegetativ fortpflanzenden Kirschen (geklumptes Vorkommen) und Haselnüsse fehlen im dicht bestockten Fichtenbestand vollständig. Neben dem Lichtmangel ist diese Tatsache auf die mächtige Rohhumusauflage zurückzuführen (Austrocknungsgefahr und tiefer pH-Wert).

Die im Sihlwald von den Dachsen genutzten unterirdisch wachsenden Pilze sind auf Waldbäume angewiesen und bilden Mykorrhizzen aus. Der Vorteil dieser unterirdisch wachsenden Pilze besteht darin, dass sie vor Frost und Trockenheit geschützt sind und somit das ganze Jahr über Fruchtkörper bilden können. Im Gegensatz zu den oberirdisch wachsenden Pilzen, welche ihre Sporen mit dem Wind verbreiten, sind die hypogäischen Arten auf Tiere angewiesen. Dem Dachs, als einem der Konsumenten dieser Fruchtkörper, kommt demnach vermutlich eine Schlüsselstellung zu, denn die Verbreitung der Pilzsporen ist eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Gedeihen der Waldbäume. Aus den Ergebnissen der Pilzangebotsbestimmung im Sihlwald (s. S.23) muss geschlossen werden, dass der Dachs diese Pilze gezielt aufspürt. Die Tiere werden vermutlich ähnlich wie die Wildschweine (CLAUS et al. 1981, zitiert in PIROZYNSKI & MALLOCH 1988) von den abgegebenen Lockstoffen der reifen Fruchtkörper angezogen. Um diese Vermutungen zu testen, wären weitere chemische und quantitative Untersuchungen zur unterirdischen Pilzflora nötig.



4.4 Diskussion der Nahrungsstrategie


Tiere sollten ihre Nahrungsressourcen effizient nutzen, da es sehr wahrscheinlich ist, dass eine effiziente Nutzung zu maximaler Wahrscheinlichkeit des Ueberlebens und der Reproduktion beiträgt, d.h. die Fitness maximiert. Eine effiziente Nutzung beschreibt SCHOENER (1971) als optimalen Einsatz der Ressourcen Zeit und Energie. Für welchen Nahrungstyp sich ein Tier entscheidet, hängt nach MacARTHUR & PIANKA (1966) einerseits vom Nutzen aus dieser Beute ab, und andererseits von den dafür aufgewendeten Kosten (Finden, Fangen, Aufnehmen und Verdauen). Die Kosten und Nutzen, welche sich aus diesem Modell für den Dachs ergeben, sollen an dieser Stelle diskutiert werden:

Der Nutzen, ausgedrückt als Energiegehalt der Beute[12], ist im Anhang (s. Anhang 7, S.44) ersichtlich. Energetisch gesehen sind die Regenwürmer eine eher suboptimale Beute, denn nur Früchte, Beeren und Pilze bzw. Gras zeigen geringere Energiewerte. Sowohl die Insekten, wie auch die Wirbeltiere beinhalten bereits mehr als doppelt soviel Energie, Getreide und Nüsse wären energetisch gesehen sogar fünf bis zehnmal besser als die Würmer. Dennoch werden gerade letzterwähnte Nahrungstypen im Sihlwald nur marginal genutzt.

Neben dem Nutzen den eine Beute erbringt, müssen eben auch die Kosten berücksichtigt werden: Zuerst muss eine Beute gefunden werden, was beim Dachs wohl vorwiegend über seinen Geruchssinn, Suchbilder und Traditionen (welche ihrerseits die Suchbilder in entscheidendem Masse prägen) geschieht. Suchbilder, welche vor allem für häufige und patchweise vorkommende Nahrung angelegt werden (TINBERGEN 1960, zitiert in BEGON et al. 1991), verringern die Transitzeit. Nach NEAL & CHEESEMAN (1996) scheinen sich auch die Dachse ein Bild von der Nahrungssituation in ihrem Streifgebiet zu machen. Das überproportionale Fressen von Kirschen wäre demnach mit diesen inneren Bilder zu erklären. Vermutlich liegt eine ähnliche Situation bei den Zwetschgen, dem Obst und den Getreidefeldern vor. Da diese Futterplätze aber oft weit auseinanderliegen (Kirschen kommen in höherer Dichte vor), werden diese Nahrungstypen weniger genutzt. Das Modell der optimalen Nahrungsstrategie (‘optimal foraging theory’, beschrieben in KREBS & DAVIES 1987) besagt nämlich, dass sich ein Tier seine Zeit optimal einteilen muss und zwischen der Verweildauer in einem Nahrungspatch und dem Aufsuchen eines neuen Futterplatzes entscheiden muss[13].

Neben dem Finden der Beute gehört auch das Fangen bzw. die Aufnahme der Beute zu den aufzuwendenden Kosten. Das Fangverhalten scheint bei den Dachsen relativ unspezifisch zu erfolgen, denn nach LUEPS et al. (1987) wird die Nahrung auf der Bodenoberfläche bzw. durch Graben in der Streuschicht aufgenommen. Vereinzelt wurde aber auch auf spezielle Fangtechniken hingewiesen (Regenwürmer: KRUUK 1978, Kröten: HENRY 1984, Wespen: SCHMID & LUEPS 1988). Eigene Beobachtungen bei Dachsen im Tierpark in Goldau haben erstaunliche Techniken bei der Aufnahme von Nüssen gezeigt (s. S.26). Allerdings nahm das ‘Knacken’ dieses Nahrungstyps eine geraume Zeit in Anspruch. Gerade der Faktor Zeit könnte für die Dachse in freier Wildbahn aber ausschlaggebend sein, dass sie diesen energiereichen Nahrungstyp zur Zeit der grössten Verfügbarkeit (Oktober) nur gelegentlich aufnehmen. Eine überproportionale Aufnahme gegenüber dem Angebot scheint v.a. in den Wintermonaten zu erfolgen, da zu dieser Zeit die fettreichen Nüsse ein wichtiger Energieinput darstellen. Die unterproportionale Nutzung der Brombeeren (Abb. 13) scheint ebenfalls in der Fangtechnik begründet zu sein. Nach HINDENLANG (mündl.) meiden die Dachse grössere Brombeerfelder, da diese mit Stacheln versehenen Pflanzen wohl auch die Dachse abzuschrecken vermögen. Eine Aufnahme dieser Beeren beschränkt sich vermutlich auf die Randbereiche der meist flächendeckenden Brombeerbeständen, was zu einer unterproportionalen Aufnahme im Gegensatz zu deren Verfügbarkeit führt.

Das Finden und Fangen der Beute allein nützt den Tieren aber noch nicht viel, denn die Nahrung muss auch verdaut werden können. Obwohl der Dachs ein Vertreter der Carnivora ist, scheint er in der Lage zu sein, auch pflanzliche Nahrung zu nutzen: Nach NEAL (1948) hat der Dachs ein typisches Raubtiergebiss, welches aber gewisse Abwandlungen zeigt, die für Allesfresser bezeichnend sind. So sind die Molaren beträchtlich abgestumpft, was für das Zerreiben pflanzlicher Nahrung von Vorteil ist. Bei der Untersuchung des Magen-Darm-Traktes stellten STARK et al. (1987) fest, dass der Dachs einen für die Carnivora bekannten Aufbau dieser Organe zeigt (keinen Blinddarm und einen nur wenig vergrösserten Darm). Auch eigene Beobachtungen unterstützen die carnivore Ernährungsweise der Dachse, da z.T. grosse Mengen an unverdauten pflanzlichen Nahrungsresten in den Koten auftauchten. Der rund fünf- bzw. zehnfach grössere Energiegehalt des Getreides bzw. der Nüsse muss demnach relativiert werden, da die Nahrung vermutlich nicht vollständig aufgeschlossen werden kann. Dennoch wird pflanzliches Material aufgenommen und STARK et al. (1987) schliessen eine grosse Verwertbarkeit dieser Nahrungstypen nicht aus, z.B. über eine jahreszeitliche Aenderung der Enzymsekretion. Diese Vermutungen bedürfen aber noch eingehenderen Untersuchungen.

Zusammenfassend für die Kosten kann also gesagt werden, dass die morphologischen sowie die verhaltensmässigen und physiologischen (erlernte oder evoluierte) Anpassungen es dieser Tierart erlauben, von einem breiten Nahrungsspektrum Gebrauch zu machen. Bei der Entscheidung für einen Nahrungstyp wird der Dachs also gemäss diesem Kosten-Nutzen Modell die profitabelste Beute auswählen, d.h. der energetische Nutzen muss grösser sein als die aufgewendeten Kosten (Finden, Fangen, Aufnehmen und Verdauen). Andere Faktoren wie z.B. Neuheit, Geschmack, bestimmte Inhaltsstoffe oder gewisse Habitatstrukturen (z.B. Strassen, Flüsse) können die Nahrungsauswahl beeinflussen, sind aber nach LUEPS et al. (1987) von untergeordneter Bedeutung.

Ob diese Nutzung der profitabelsten Beute, also demjenigen Nahrungstyp, dessen Verhältnis von Kosten und Nutzen optimal ist, auch für die Dachse im Sihlwald zutrifft, ist schwierig abzuschätzen, da viele der benötigten Informationen fehlen oder fragmentarisch sind. Die erwartete opportunistische Ernährungsweise der Dachse im Sihlwald, d.h. die Nutzung der saisonal profitabelsten und am besten verfügbaren Nahrung, kann demnach nicht abschliessend beantwortet werden.



4.5 Aussichten


Die Nutzung der pflanzlichen Nahrung durch die Dachse im Sihlwald ist sehr gering. Dennoch vermögen einige pflanzliche Nahrungstypen interessante Hinweise über vom Dachs besuchte Habitate liefern. Insbesondere die genutzten Früchte weisen auf eine Verlagerung des Aktivitätsraumes während der Sommer- und Herbstmonate hin. Unter Beibezug der genutzten tierischen Nahrung (MINDER in Vorb.) sowie weiterer Ergebnisse, insbesondere von Resultaten aus der telemetrischen Untersuchung (HINDENLANG in Vorb.), wird sich das Bild über das Raumnutzungsverhalten der Dachse vervollständigen.

Im Landwirtschaftsgebiet, welches im Rahmen des Dachsprojektes im Sihlwald und Knonaueramt untersucht wird, werden die pflanzlichen Nahrungskomponenten eine weit wichtigere Rolle in der Dachsnahrung spielen als im Habitat Wald (KISTLER & MISTELI 1984, STOCKER & LUEPS 1984, SHEPHERDSON et al. 1990). Früchte und Getreide werden im Sommer und Herbst die Nahrung der Dachse dominieren. Da die Verfügbarkeit dieser Nahrungstypen zeitlich auf wenige Wochen beschränkt ist, wird eine vermehrte Kotprobensammlung und Angebotsbestimmung zur Reifezeit vorgeschlagen.



[8]KRUUK & PARISH (1978) geben pro Wurm ein Gewicht (welches etwa dem Volumen entspricht) von 4,27g an. Die Berechnungen des Regenwurmvolumens im Sihlwald basieren auf der Annahme eines durchschnittlichen Wertes von 3 Millilitern pro Wurm (NABULON mündl.). Exaktere Frischvolumenwerte werden noch erarbeitet (MINDER in Vorb.).
[9]Es konnte kein statistischer Zusammenhang zwischen der genutzten Regenwurmmenge und den Niederschlägen gefunden werden.
[10]Kulturkirschen haben ein rund doppelt so grosses Frisch-Volumen (3,61ml ± 0.41, n=20) wie Wildkirschen (1,57ml ± 0.13, n=20).
[11]Einzig bei HENRY (1984) konnte die Pilzart eruiert werden: Es handelte sich dort um Wurzeltrüffel (Rhizopogon-Arten), welche ebenfalls unterirdisch wachsen.
[12] Die Energieangaben beziehen sich bei den pflanzlichen Komponenten auf den für den Menschen verdaubaren Anteil, bei den tierischen Komponenten (ausser den Schnecken) auf das Gesamtgewicht. Es wird davon ausgegangen, dass der Energiegehalt jedes Nahrungstyps voll genutzt werden kann.
[13]Das Modell geht von einer abnehmenden Futtermenge mit der Zeit im genutzten Patch aus.

Zurück Weiter Titelseite Inhaltsverzeichnis